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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter
Autoren: Michael Cobley
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weiten Ärmeln und musterte sie. »Ich habe noch nie zuvor einen fremden Körper besessen, und es gibt viel zu lernen.«
    »Nicht zuletzt über die ursprüngliche Person«, meinte Byrnak. »Ist noch etwas von ihr erhalten?« »Etwas ist da«, bestätigte die verhüllte Gestalt Crevalcors. »In ihren Tiefen hält sich noch etwas verborgen, das vermeidet, seine Gegenwart kundzutun. Bislang waren meine unregelmäßigen und leider auch unausgebildeten Erforschungen nicht erfolgreich.«
    »Interessant. Glaubst du, dass deine neue Existenzform deine Beherrschung des Brunn-Quell beeinträchtigt hat?« »Mein Einfluss auf lebende Wesen scheint tatsächlich eingeschränkt zu sein. Dafür jedoch war meine Fähigkeit, leblose Objekte zu benutzen, noch nie so stark.« Crevalcor lächelte. »Möglicherweise spielt meine eigene Sterblichkeit dabei eine gewisse Rolle.«
    »Meine Brüder haben sich über deine Talente mehr als zufrieden geäußert, und ich spüre, dass ihre Zuversicht nicht fehl am Platze ist.« Byrnak schaute auf den Hafen hinunter, in dem gerade ein viermastiger Schnellsegler vom Kai ablegte. »In Dalbar, einem Land weit im Süden, herrscht gerade eine sehr fruchtbare Situation, die wir zu unseren Gunsten nutzen könnten, wenn wir die richtigen Keime aussäen. Diese Aufgabe können wir freilich nur jemandem mit den entsprechenden Fähigkeiten und einem genauen Urteilsvermögen anvertrauen. Jemandem wie dir, Freund Crevalcor.«
    Der verhüllte Nigromant verbeugte sich. »Mit demütigstem Respekt, Großer Gebieter. Ich werde Euer Mandat nicht enttäuschen.«
    »Ausgezeichnet.« Byrnak drehte sich um, als wollte er den Weg zurückgehen, den sie gekommen waren, hielt dann jedoch inne. »Ach ja, es gibt noch etwas, das ich von dir erbitte, eine Kleinigkeit, die nur meine Neugier befriedigt.«
    Crevalcors Augen glänzten. »Ihr braucht es nur zu äußern, Großer Gebieter.«
    »Schön. Ich möchte mit dem ursprünglichen Besitzer deines Körpers sprechen.«
    Byrnak sah die widerstreitenden Gefühle auf dem Gesicht des Nigromanten: Schock, Pflichtbewusstsein und alle Spielarten von Furcht.
    »Großer Gebieter… Meister, ich…«Der Mann wrang den Stoff seiner Robe angespannt zwischen den Händen. »Ich will nicht deinen Tod, Crevalcor«, beruhigte Byrnak ihn. »Du brauchst nur deine Kontrolle über deinen Wirt ein wenig zu lockern, ohne ihn jedoch gänzlich freizugeben. Ich werde einfach seine begrabene Präsenz aufrufen, sie verhören, bis ich zufrieden bin, und dir dann den Körper zurückgeben.«
    »Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen«, erwiderte Crevalcor sichtlich erschüttert, und richtete sich zitternd auf, bevor er die Augen schloss.
    Byrnak lächelte. Es faszinierte ihn immer wieder zuzusehen, wie seine Untergebenen sich aus purer Loyalität eilfertig seinem Willen unterwarfen. Gunstbezeugungen und Belohnungen waren weitaus nützlichere Mittel, um Gehorsam zu erwirken, als brutaler Zwang je sein konnte. Byrnak zog Crevalcors Loyalitat sogar beinahe der des Akolythen Obax vor, der in Wahrheit dem Herrn des Zwielichts diente. Oder der von Azurech, dessen Verstand Byrnak vor einigen Monden neu erschaffen hatte.
    Azurech war es als einzigem der Kriegsherrn aus Honjir gelungen, der Belagerung von Choraya zu entkommen. Verschiedene Armeen, vor Hunger wahnsinnige Flüchtlinge und vertriebenen Städter waren vor etwa drei Wochen aus Norden und Westen in Honjir eingefallen und hatten Choraya angegriffen, angelockt von angeblich gehorteten Lebensmittelvorräten. Die zehntausende zählenden Invasoren überwältigten mit Leichtigkeit die fünfhundert Soldaten der Garnison, und nur wenige von Byrnaks Männern entkamen. Als Azurech an der Spitze eines kläglichen Trupps von Kämpfern in Rauthaz auftauchte, trübte ein vages Unbehagen Byrnaks Stolz über die unerschütterliche Loyalität des Mannes. Beinahe, als stellte diese Art von Treue selbst eine Bedrohung dar. Byrnak konzentrierte sich wieder auf Crevalcor. Er hielt die Augen geschlossen, seine Gesichtszüge waren entspannt, und er schwankte ein wenig in dem böigen Wind. Mit einem beiläufigen Gedanken stützte Byrnak ihn und drang dann mühelos in seinen offenen Geist ein.
    Die steinerne, eisige Umgebung des Daches versank in grauem Schweigen, einer verlassenen Stille und elendem Leid. Byrnak spürte Crevalcors Gegenwart, eine rastlose, beunruhigte Wesenheit am Rand dieser öden Leere. Einen Moment schien es, als existiere nichts weiter, doch dann bemerkte Byrnak
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