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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter
Autoren: Michael Cobley
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und du beherrschst jeden.
    Sein Lächeln wurde breiter, als er an die Geistschatten von Suviel Hantika dachte.
    Sogar Ikarno Mazaret.

1
    Seelenlose Bestien und verwunschenes Getier,
Ächzende Schatten mit tödlichen Klingen,
Verfolgen den scharfen Geruch des Blutes,
Durch Tal und Schlucht in lichtlose Wälder.
    GUNDAL: DER UNTERGANG VON GLEORAS, 9, VI
    Es schneite in Ost-Khatris. Von den höchsten Gipfeln des Rukang-Massivs bis zum Buckelgurt, einer Hügelkette, die Besh-Darok umringte, senkte sich ein dichter Schleier aus großen, weichen Flocken herab, bedeckte die Felder und verhüllte unter seinem Teppich gnädig die Schlachtfelder, maskierte die schwarze, verbrannte Erde und die ausgebrannten Bauernhöfe.
    Besh-Darok verwandelte sich in eine weiße Stadt. Die Dächer waren bereits mit Eiszapfen geschmückt, jetzt jedoch wurden sie von blassen Tüchern verhüllt. Die Kamine und Schlote darauf qualmten, als am späten Vormittag der Rauch der Kochfeuer emporstieg. Kinder spielten auf den Straßen; die Kiemen lachten und johlten, während Schneeballsalven hin und herflogen. Hunde schnappten nach den tanzenden Flocken, und die Karrengäule zuckten mit den Ohren und atmeten dicke Nebelwolken aus.
    Es wurde fleißig genäht und gestickt, um all die benötigten Wimpel und Flaggen fertig zu stellen, die Bäcker schoben gewissenhaft besondere Bestellungen in die Öfen, Wirte verstauten frische Lieferungen von Bierfässern und Lederhumpen, städtische Bedienstete salzten die eisigen Straßen, die zum Fünfkönigs-Pier führten. Priesterinnen der Erden-Mutter sangen lange Lobgesänge von allen Türmen der Stadt herunter. Vermummte Schaulustige liefen über die Plätze, während Straßenverkäufer ihre Waren mit schmeichelnden oder zotigen Knittelversen feilboten. Besh-Darok feierte den Tag der Kleinen Krönung, den Festtag für Gemeine, Händler, Handwerker, Beamte, Soldaten und Seeleute, wie auch für die Delegationen aus anderen Städten und Dörfern. Selbst wenn ihnen allen noch die ersten richtigen Wintertage bevorstanden und schreckliche Feinde sich von weit her gegen sie verschworen - auf den Straßen und Wegen jedoch tummelten sich heute Menschen, die sich auf den neuen Kaiser freuten. Dieses Ereignis wäre noch vor zwei Monaten unvorstellbar gewesen.
    Andere Viertel der Stadt ließen dieses geschäftige Treiben dagegen vollkommen vermissen. Die Lager und Werften lagen still und verlassen da wie die Hellinge am Ufer des Flusses. Nur Schatten schlichen hier umher, und eine verlassene Gasse bot den Schauplatz für einen grimmigen Tanz der Klingen.
    Nerek überquerte einen kleinen Platz in dem menschenleeren Viertel, als fünf Männer aus Torbögen auf sie zu traten. Es waren hagere Männer mit harten Augen und bunt zusammengewürfelte Rüstungen, meist aus beschlagenem Leder, doch ihre Waffen waren gut gepflegt. Unwillkürlich verwünschte sich Nerek, weil sie ihre gewohnte Route nicht geändert hatte. Das Stadtleben hatte sie unvorsichtig gemacht.
    »Und jetzt«, sagte einer, ein blonder Schwertkämpfer mit einem geflickten braunen Umhang, »kommst du mit uns. Und zwar friedlich, wenn ich bitten darf.«
    Mit einem kurzen Blick nahm sie die Einzelheiten des Platzes in sich auf, den zerbrochenen Brunnen, den zerstörten Wagen, der den Zugang zu einer Gasse halb blockierte, und einige verrammelte Fenster und Türen. »Warum sollte ich das wohl tun?«, erwiderte sie gleichmütig.
    »Ein Kaufmann, den ich kenne, hat offenbar Sehnsucht nach deiner Gesellschaft. Und da ich nun mal von diskreten Lieferungen lebe, habe ich ihm meine Dienste angeboten.« Er breitete die Hände aus, und eine seidene Schnur baumelte von einer Hand herunter. »Ich habe ihm mein Wort gegeben, dass ich dich zu ihm schaffe.« Nerek tastete nach dem Brunn-Quell und spürte überrascht, wie seine Stärke und Macht ihrem Befehl gehorchte. Doch nach kaum einer Sekunde versickerte sie wieder, und in Nerek blieb nur ein Gefühl von Leere und Gereiztheit zurück. Der Mann mit der Kordel grinste.
    »Anscheinend hatten sie Recht, was diese Hexerei angeht.« Er nickte dem Mann zu, der ihr am nächsten stand. Der setzte sich in Bewegung.
    »Nein«, bat Nerek mit zitternder Stimme. »Bitte!« Sie streckte eine Hand aus, mit der Handfläche nach außen, als wollte sie um Gnade bitten, während sie mit der anderen den Griff des gezackten Messers unter ihrer langen blauen Robe ertastete. Der Brigant packte ihr Handgelenk und sah sie lüstern an, während er sie zu
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