Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter
Autoren: Michael Cobley
Vom Netzwerk:
würde auch keine von Euch erbitten. Mir genügt es, jemandem einen kleinen Dienst geleistet zu haben, der die Erden-Mutter von Angesicht zu Angesicht gesehen hat.« Keren betrachtete ihn einen Augenblick. Er wirkt nicht wie ein Heuchler, dachte sie. Zweifellos ist der Glaube für einige ein tiefer, ruhiger Fluss, während andere ihn als einen reißenden Strom erleben. Ich behalte die Einzelheiten von dem, was damals passiert ist, wohl besser für mich.
    »Ihr habt mir keinen kleinen Dienst erwiesen, Herr, sondern einen großen Segen.«
    »Sehr freundlich, dass Ihr das sagt, Lady Keren. Aber jetzt…« Er leerte sein Glas und stand auf. »Ich muss Euch um Vergebung bitten, aber ich muss fort, weil viele dringende Aufgaben auf mich warten, die meiner Aufsicht bedürfen. Bleibt bitte und genießt das Feuer und die Ruhe, so lange es Euch beliebt. Werdet Ihr an der Kleinen Krönung teilnehmen?«
    »Ich wurde eingeladen.«
    »Gut. Wenn Ihr zu gehen wünscht, wendet Euch an meinen Hausverwalter. Man wird Euch Euer Pferd zum Tor bringen.«
    »Ihr seid sehr freundlich.«
    Hevrin verbeugte sich höflich und ging.
    Keren legte das Buch wieder in das Kästchen und wartete einen Moment, bevor sie sich auf die Suche nach dem Hausverwalter machte. Einige Minuten später packte sie den kleinen Kasten in eine Satteltasche und stieg auf. Sie blieb einen Moment ruhig im Sattel sitzen und schaute über die frostbedeckten Gebäude und Felder von Hevrins Besitz, über die ausgedehnten Äcker bis zu den gewaltigen, grauen Bastionen von Besh-Darok. Am Schild-Tor hingen riesige Banner, und von den Signalfeuern auf den Zinnen stieg dünner Rauch auf. Irgendwo in der Stadt gab es vielleicht Gelehrte, welche die uralte Sprache Othazi kannten, aber würde Keren sie heute Abend noch finden? Etwa um diese Zeit sollten Gilly, Medwin und sie mit dem Schiff nach Sejeend ablegen und von dort über Land nach Scallow, einer Hafenstadt in Dalbar, reisen. »Ein Unternehmen von einiger Bedeutung«, hatte Bardow ihre Reise genannt, was vermutlich bedeutete, ihnen würden unterwegs viele einzigartige Schrecken und Gefahren auflauern.
    Schließlich stieß Keren eine Verwünschung aus, stieß ihrem Pferd die Absätze in die Flanken und galoppierte los.
Wenn ich nur ein paar Stunden Zeit habe, werde ich sie nicht vergeuden. Erst die Krönung, dann die Gelehrten.
    Als Keren über die Straße ritt, welche auf die Hauptstraße mündete, sah sie dort eine Gruppe von Reitern im gestreckten Galopp in Richtung Stadt reiten. Einer von ihnen trug ein flatterndes Banner, das sie erkannte. Es zeigte das Baum-und-Stier Emblem von Yarram, Mazarets früherem Stellvertreter und jetzigem Lordkommandeur des Ordens der Ritter vom Vater-Baum. Sie wusste, dass Yarram erst vor wenigen Tagen mit einem großen Kontingent von Rittern aufgebrochen war, um die Briganten zu erledigen, die ständig die Dörfer westlich des Rukang-Massivs überfielen. Aber welcher dringliche Grund konnte ihn so schnell wieder in die Hauptstadt zurückgeführt haben, und dann mit einer so kleinen Eskorte?
    Keren trieb ihr Pferd zu größerer Eile an, entschlossen, das so schnell wie möglich herauszufinden. Nerek lief durch das düstere, leerstehende Haus zur Hintertür und fand sich auf einem Hof wieder, der von einem hohen Bretterzaun umgeben war. Sofort hatte sie das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Links von ihr war ein Tor, und direkt daneben noch eines. Sie entschied sich für letzteres. Es führte auf einen holprigen Weg, der sich schnurgerade nach rechts und links erstreckte.
    Welchen Weg soll ich nehmen, wenn beide gleichermaßen gefährlich aussehen und meine magischen Kräfte ebenso versagen wie vorhin …?
    Zum ersten Mal hatte sie das Nachlassen ihrer Kräfte vor drei Monaten bemerkt. In vertraulichen Gesprächen mit Bardow waren sie beide zu dem Schluss gekommen, dass die Schattenkönige ihre fürchterliche Macht von einem Ort bezogen, die näher lag als Rauthaz oder Casall. Geboren aus, wie Bardow behauptete, den merkwürdigen Erzählungen von Geisterkindern in der Nähe des Buckelgurts. Nur die Lordregenten Mazaret und Yasgur sowie Äbtissin Halimer von der Priesterschaft der Erden-Mutter durften von solchen Spekulationen erfahren. Weil alle befürchteten, dass es eine Panik, wenn nicht Schlimmeres auslösen konnte, wenn sich diese Vermutung herumsprach.
    Nerek schaute auf ihre Hände. In der einen hielt sie das Messer, die andere war leer. Kerens Hände, dachte sie, Kerens Gesieht, Kerens
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher