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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter
Autoren: Michael Cobley
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großen Bannern zu verstecken suchte. Ihre letzte Begegnung mit Tauric war für sie beide sehr schmerzlich gewesen. Sie beendete ihre gerade erst beginnende Verbindung und lehnte seinen beinahe verzweifelten Heiratsantrag ab. Die Gründe ihres Handels behielt sie jedoch tunlichst für sich. Die Erden-Mutter war ihr in einem kurzen, dunklen Traum erschienen, in dem es von Blättern und Schlingpflanzen nur so wimmelte, und hatte sie davor gewarnt, ihre »Blüte mit unfruchtbarem Samen zu verderben«. Wichtiger jedoch war für Alael die eigene Erkenntnis gewesen, dass Tauric einfach noch nicht reif für eine Ehe war. Er war wirklich kaum mehr als ein Junge, dem die Bürde eines Monarchen aufgeladen wurde, und der weder zum Herrscher geboren noch durch lange Erfahrung dazu geworden war. Ikarno Mazaret, der einzige Mann, der ihm vielleicht ein guter Mentor hätte sein können, verfolgte Briganten in der Einöde von Khatris. Er und Yasgur hatten dem Jungen zwar Ratgeber an die Seite gestellt, welche die schlimmsten Schmeichler und Ränkeschmiede abhielten, doch dies bewirkte gleichzeitig, dass entweder nur schwache oder sehr gerissene Höflinge in den inneren Kreis des jugendlichen Kaisers vordrangen. Das war eine sehr riskante Kombination.
    Jetzt jedoch schien es, als wäre ihre kleine Flucht sinnlos gewesen, denn einer der in Roben gekleideten Diener tauchte hinter dem nächsten Banner auf, näherte sich ihr und verbeugte sich tief.
    »Ergebenste Grüße an Lady Alael und ihr Gefolge. Seine Kaiserliche Hoheit wird bald den nächsten Teil der Kleinen Krönung begehen und lässt Euch fragen, ob Ihr diesen Moment mit Eurer Anwesenheit verschönern möchtet.«
    Ihr erster Impuls war, wegzulaufen, doch sie unterdrückte ihn rasch. Es waren fast drei Wochen seit ihrer letzten Begegnung verstrichen, und sie wollte auf keinen Fall, dass Tauric etwa den peinlichen Versuch unternahm, sie vor seinen Höflingen zu beeindrucken. Eine Weigerung könnte jedoch die unerwünschten Gegensätze zwischen den Jäger-Kindern und Taurics Gefolgsleuten vertiefen, und darauf konnte die Stadt im Moment sehr gut verzichten.
    »Ich fühle mich durch die Einladung seiner Kaiserlichen Hoheit sehr geehrt«, sagte sie gelassen. »Wenn Ihr so freundlich wäret, uns zu ihm zu führen.«
    Der Lakai verbeugte sich wieder. Dabei klaffte seine Robe am Hals auf, und ein kleines Medaillon rutschte heraus. Er steckte es geschickt wieder weg, während er sich aufrichtete, aber Alael hatte es bereits gesehen. Es war ein bronzenes Amulett in der Form eines Pferdes. Dann drehte sich der Mann um und führte sie und ihre Eskorte durch die Menge.
    Die Kutsche war von dem Kai abgebogen und auf eine kurze Steinmole gefahren, an der eine Ruderbarke vertäut lag. Am Ende der Mole befand sich ein kleiner Turm mit einer Glocke und einem Leuchtfeuer, unter dem die Kutsche anhielt. Alle Passagiere stiegen ab, bis auf Tauric, der sich herumdrehte und beobachtete, wie Alael auf ihn zukam. Kurz vor der Kutsche blieb sie stehen und machte einen tiefen Hofknicks, während sie darauf achtete, keine Miene zu verziehen. Tauric trug eine schwarze Reithose und ein enges, dunkelblaues Wams, auf dem über dem Herzen der Baum und die Krone eingestickt waren. Schwarzer Brokat verzierte die Ärmel und den Kragen, den er aufgeknöpft hatte. Selbst aus dieser Entfernung sah sie, dass noch jemand auf der kleinen Plattform hinter ihm stand, eine Frau in einem grünen Gewand und einem blassrosa Mantel, die sich von ihr abgewendet hatte.
    »Es erfreut mein Herz, Euch wiederzusehen, Mylady«, sagte Tauric. »Bitte, kommt herauf und schaut Euch meinen Schiffsthron an.«
    Alael atmete tief durch, um ihre Nerven zu beruhigen, bedeutete ihren Wachen, zu bleiben, wo sie waren, und stieg dann die kleine Leiter aus Holz und Eisen hinauf, die hinuntergelassen worden war. Tauric lächelte herzlich, als sie zu ihm trat, und plötzlich kam ihr ein Verdacht, wer diese Gefährtin dort sein könnte. War sie ein bewundernder Schmeichler oder ein anderes Geschöpf des Hofes, durch dessen Eroberung er ihre Eifersucht wecken wollte?
    Wie schade, dachte sie bissig. Du wirst enttäuscht sein. Laut sagte sie:
    »Eure Einladung ist sehr großzügig, Euer Hoheit.«
    Tauric runzelte leicht verwirrt die Stirn über ihre kühlen, formellen Worte, aber er deutete trotzdem zu dem Schiff, das an der Mole lag. »Das ist es, mein Krönungsboot. Ein bisschen bunt, finde ich.« Alael runzelte die Stirn und unterdrückte ein
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