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019 - Bei Vollmond wird gepfählt

019 - Bei Vollmond wird gepfählt

Titel: 019 - Bei Vollmond wird gepfählt
Autoren: Dämonenkiller
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und spiel mit mir! Liza kommt auch gleich.«
    Er öffnete das Tor, und Phillip trat ein.
    Dorian schlich bis zum Tor und spähte in den Garten. Der Junge, der Phillip an der Hand führte, war etwa zehn Jahre alt. Er plapperte aufgeregt und fröhlich. Phillip antwortete kaum.
    Nur hin und wieder sagte er ein paar Worte oder unvollendete, zusammenhanglose Sätze. Er nannte den Jungen Jimmy.
    In der Nähe des Hauses legte der blonde kleine Junge den Zeigefinger an die Lippen. »Wir müssen leise sein, Phillip. Mutter mag es sicher nicht, daß du uns besuchen kommst. Und der böse Mr. Keystone schimpft gleich. Wenn Liza neulich nicht dazwischengefahren wäre, hätte er mich verprügelt.«
    »Böser Mann!«
    »Ja, Mr. Keystone ist böse. Ich mag ihn nicht, Phillip, denn er spielt sich hier im Hause auf, als wenn er unser Vater wäre. Aber unser Vater ist im Himmel. Liza und ich haben nur noch Mutter. Den garstigen Mr. Keystone mögen wir beide nicht. Aber Mutter sagt immer, wir sollen brav und nett zu ihm sein.«
    Jimmy hüpfte über die Platten und sang dabei einen Abzählreim. Dann wandte er sich wieder Phillip zu, der ihn mit seinen goldfarbenen Augen schweigend beobachtete.
    »Kannst du das auch, Phillip?«
    Der Hermaphrodit antwortete nur mit seinem unergründlichen Lächeln.
    Der Junge nahm ihn bei der Hand. »Komm, ich zeige dir mein weißes Kaninchen! Das hat gestern Junge gekriegt. Oh, sind die süß! Die mußt du sehen.«
    Er führte Phillip in den Schatten des Hauses. Als er gerade mit ihm um die Ecke biegen wollte, trat eine junge Frau aus der Haustür. Sie trug ein langes, altmodisches Kleid und ein schwarzes Kopftuch. In der Hand hielt sie einen großen Strauß frischer Wiesenblumen.
    »Jimmy«, sagte sie halblaut, »wo steckst du denn wieder? Komm, es ist Zeit! Wir müssen zu Mutter gehen.«
    »Aber Mutter ist doch im Haus!« rief Jimmy mit seiner hellen Kinderstimme. Er trat mit Phillip aus dem Schatten. »Sieh mal, wer gekommen ist!«
    Die Frau reichte Phillip die Hand. Er sah sie mit offener Bewunderung an und strahlte. In seinen Augen stand die Liebe, die er für sie empfand, die er nicht ausdrücken konnte und der nie Erfüllung beschieden sein würde.
    Liza, die Schwester des kleinen Jimmy, war bildschön mit ihren neunzehn Jahren. Ihr blondes Haar umfloß das zarte Gesicht, ihre Augen waren klar und blau wie Bergseen, und die roten Lippen leuchteten wie rote Blütenblätter. Ihre Figur war zierlich, und schlechthin vollendet. Doch ein tiefer Ernst überschattete ihr Gesicht. Sie nahm Phillip bei der einen und Jimmy bei der anderen Hand und ging mit ihnen durch den großen, herbstlichen Garten.
    »Dürfen wir denn so spät noch weg?« fragte Jimmy. »Mutter wird schimpfen, wenn sie es merkt.« Er sah ängstlich zum Haus zurück.
    Liza traten Tränen in die Augen. »Keine Angst, Jimmy«, sagte sie. »Geh nur mit mir! Es passiert dir nichts. Wir wollen Blumen auf Mutters Grab legen.«
    Jimmy, der zusammen mit seiner Schwester den Blumenstrauß hielt, ging nicht weiter auf diesen Widerspruch ein. Er plapperte fröhlich mit Phillip und erzählte ihm von allem, was einen zehnjährigen Jungen bewegte: von der Schule, von der neuen Lehrerin Mrs. MacKenyon, die so schrecklich schielte, von dem versoffenen Gemüsemann, den die Kinder immer ärgerten, und von der Flöte, die er sich wünschte und die er zu Weihnachten bekommen sollte.
    Die drei verließen das Grundstück und gingen die Straße entlang über das unbebaute Feld. Dorian Hunter folgte ihnen in einigem Abstand. Hin und wieder sah er sich nach dem Vampir um, den er in der Untergrund-Passage gesehen hatte, doch er entdeckte nirgends etwas Verdächtiges. Ihm erschien die Sache immer mysteriöser. Es wunderte ihn sehr, daß der Hermaphrodit mit dem kleinen Jungen und der jungen Frau offenbar Freundschaft geschlossen hatte, denn sonst hatte Phillip verständlicherweise große Kontaktschwierigkeiten. Fremden gegenüber war er äußerst scheu und zurückhaltend.
    Die drei erreichten einen Friedhof. Das Gittertor stand offen. Sie gingen hindurch und vorbei an den neueren Gräbern in eine abgelegene Ecke, zu den ältesten Gräbern auf dem Friedhof. Vor einem sorgfältig gepflegten Grab mit einem schwarzen Marmorstein blieben Liza, Jimmy und Phillip stehen. Im Licht des Vollmonds konnte man deutlich die Inschrift lesen. Laura Elizabeth Kane, geb. 23.8.1891, gest. 13.10.1929. Requiescat in Pace.
    Das Mädchen legte den Wiesenblumenstrauß auf das Grab, und
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