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01 - Nicht ohne meine Tochter

01 - Nicht ohne meine Tochter

Titel: 01 - Nicht ohne meine Tochter
Autoren: Betty Mahmoody
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tiefen Mulde der dünnen, sprungfederlosen Matratze. Mahtab, die zwischen Moody und mir schlief, konnte auf der Ritze zwischen den beiden Einzelbetten keine Ruhe finden, denn der harte Holzrahmen peinigte sie. Sie war in die Mulde auf meiner Seite gerutscht und schlief jetzt so fest, dass ich sie nicht von der Stelle bewegen konnte. Wir lagen dort zusammen, trotz der Hitze dicht aneinandergedrängt, als Moody sich zum Gebet in die Halle begab. In wenigen Minuten verschmolz seine Stimme mit denen von Baba Hadschi, Ameh Bozorg, ihren Töchtern Zoreh und Fereschteh und Madschid, der mit dreißig ihr jüngster Sohn war. Die anderen fünf Söhne und ihre Tochter Ferree hatten mittlerweile ein eigenes Zuhause. Ich weiß nicht, wie lange das Gebet andauerte, denn ich nickte immer wieder ein und merkte nicht, wann Moody wieder ins Bett kam. Selbst da war die religiöse Erbauung der Familie noch nicht zu Ende. Baba Hadschi blieb auf und las, aus Leibeskräften singend, aus dem Koran vor. Ich konnte Ameh Bozorg im Schlafzimmer am anderen Ende des Hauses hören: Auch sie las im Koran. So machten sie stundenlang weiter, und ihre Stimmen nahmen einen hypnotisierenden Ton an.
    Baba Hadschi hatte schon, bevor ich aufstand, seine Andacht beendet und war ins Geschäft gegangen - er hatte eine Im- und Exportfirma mit dem Namen H.S. Ghodsi und Söhne. Mein erster Gedanke war, mich unter der Dusche von den Spuren der Hitze des gestrigen Tages zu reinigen. Es gab im Badezimmer keine Handtücher. Moody meinte, Ameh Bozorg besäße wahrscheinlich keine, deshalb nahm ich ein Laken vom Bett, das wir alle drei als Ersatz benutzten. Es gab auch keinen Duschvorhang; das Wasser lief einfach durch ein Abflussloch im schrägen Marmorfußboden ab. Trotz dieser Unbequemlichkeiten war das Wasser erfrischend. Mahtab duschte nach mir, und, während ich mich sittsam in Rock und hochgeschlossene Bluse kleidete, Moody. Ich tupfte mir ein bisschen Make-up ins Gesicht und frisierte mich sorgfältig. Im Haus bei der Familie, so hatte Moody mir gesagt, würde ich mich nicht verschleiern müssen.
    Ameh Bozorg arbeitete geschäftig m der Küche, sie war in einen gemusterten Alltags-Tschador gehüllt. Weil sie beide Hände für die Arbeit brauchte, hatte sie das flatternde Tuch ein weiteres Mal um ihren Körper gewunden und hielt es unter ihren Achselhöhlen fest. Damit es nicht verrutschte, musste sie die Arme fest an die Seiten gepresst halten. So gefesselt arbeitete sie in einem Raum, der wie das ganze Haus einst wunderschön gewesen, aber jetzt insgesamt baufällig war. Die Wände waren mit den fettigen Ablagerungen vieler Jahrzehnte überzogen. Große Metallregale, die denen in amerikanischen Großküchen ähnelten, rosteten vor sich hin. Es gab eine Doppelspüle aus rostfreiem Stahl, in der sich schmutziges Geschirr türmte. Töpfe und Pfannen aller Art waren auf der Arbeitsfläche und auf einem kleinen quadratischen Tisch gestapelt. Da sie keinen Platz auf der Arbeitsfläche hatte, benutzte Ameh Bozorg einfach den Küchenfußboden. Der Fußboden war aus hellbraunem Marmor, der zum Teil mit einem rotschwarzen Teppich bedeckt war. Der Boden war mit Essensresten, klebrigen Ölspritzern und geheimnisvollen Zuckerspuren übersät. Ich war überrascht, einen »General Electrics«-Kombischrank - Kühl- und Gefrierschrank komplett mit einer Eismaschine - zu sehen. Ein Blick hinein offenbarte ein Durcheinander weiterer Schüsseln ohne Deckel, in denen noch die Servierlöffel steckten. Die Küche war außerdem mit einer in Italien hergestellten Trommelwaschmaschine und dem einzigen Telefon im Haushalt ausgestattet. Die größte Überraschung war für mich, dass Moody vor mir prahlte, Ameh Bozorg habe extra unserer Ankunft zu Ehren das ganze Haus geputzt. Ich fragte mich, wie das Haus wohl aussah, wenn es dreckig war.
    Eine alternde, dünne Dienstmagd, deren verfaulte Zähne zum Zustand ihres marineblauen Tschadors passten, reagierte lustlos auf Ameh Bozorgs Anordnungen. Auf dem Küchenfußboden stellte sie auf einem Tablett Tee, Käse und Brot zusammen und servierte es uns auf dem Fußboden der Halle. In Estekans, kleinen Gläsern, die nicht mehr als ein Viertel einer normalen Tasse enthalten, wurde der Tee in strenger Reihenfolge angeboten: zuerst Moody, dem einzigen anwesenden Mann, dann Ameh Bozorg, der ranghöchsten Frau, dann mir und schließlich Mahtab.
    Ameh Bozorg süßte ihren Tee mit Zucker, schaufelte ihn löffelweise aus der Schale in ihr Glas.
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