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0079 - Der Tyrann von Venedig

0079 - Der Tyrann von Venedig

Titel: 0079 - Der Tyrann von Venedig
Autoren: Richard Wunderer
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seiner etwas zu vertraulichen Art, die mir gar nicht gefiel. »Weiter so, dann klappt es!«
    Ich ließ den aufgeblasenen Burschen stehen und kümmerte mich um Jane, die etwas verloren in der Halle stand. Hauptsache, niemand kam auf die Idee, daß ich vom selben Verein war wie der Kommissar. Für die anderen waren und blieben wir Touristen wie sie selbst.
    Beim Essen schilderte ich meinen Freunden das Gespräch mit Bennato. »Was steht heute abend auf dem Programm?« erkundigte ich mich anschließend.
    Shao brauchte nicht lange zu überlegen. »Eine Gondelfahrt«, sagte sie und strahlte Suko aus ihren ausdrucksvollen Augen an. Ihre Hand glitt auf die seine, so daß er nicht weiteressen konnte.
    Aber das störte Suko im Moment nicht, weil er nur Augen für Shao hatte.
    »Eine Gondelfahrt!« sagte ich stöhnend. »Ich habe genug von Gondeln!«
    »Vielleicht wird es recht romantisch«, meinte Jane Collins, und ihr Lächeln versprach eine ganze Menge. Mir wurde richtig warm ums Herz.
    Wenn ich Jane so ansah, in ihrem roten T-Shirt, das sich wie eine zweite Haut um ihre Brüste spannte, und der knapp sitzenden weißen Leinenhose… warum nicht eine nächtliche Gondelfahrt?
    ***
    In dem Saal herrschte atemloses Schweigen. Die Menschen standen gebeugt vor dem thronartigen Sessel, die Rücken demütig gekrümmt.
    Einstmals waren in diesen vier Wänden prächtige Feste gefeiert worden. Starke Haken zeigten die Stellen, an denen die herrlichen venezianischen Spiegel mit den reichen und kunstvollen Verzierungen gehangen hatten. Auch in der Decke befanden sich Haken für die Kronleuchter, die man noch auf alten Abbildungen bewundern konnte, Meisterwerke venezianischer Glasbläserkunst. Eine einzige Kette baumelte im Luftzug hin und her. Früher hatte sie den mittleren Kronleuchter gehalten. Heute hingen daran ein Dutzend Fledermäuse, die ab und zu mit den schwarzen Flügeln schlugen und ein unheimliches, knatterndes Geräusch erzeugten.
    Über die geborstenen Steinplatten des Bodens krochen zischende Giftschlangen, die sich um die Beine der Versammelten schlängelten. Ihre Giftzähne blitzten drohend, doch sie bissen nicht zu. Sie standen ebenso wie die Menschen, die Fledermäuse und die zahlreichen Tauben unter einem gewaltigen magischen Bann.
    Die Tauben, Wahrzeichen Venedigs wie der Löwe von San Marco, flatterten aufgeregt unter der hohen Decke des Saals. Die oben spitz zulaufenden Fenster waren mit Brettern vernagelt. Es blieben aber genügend Öffnungen für die Vögel, um hin und her zu fliegen.
    Die Passanten, die an dem baufälligen Palazzo vorbeigingen, bemerkten zwar die Tauben, dachten sich jedoch nichts dabei. Diese Tiere besetzten alle ungenutzten Gebäude. Niemand ahnte, daß sie als Boten fungierten.
    Als Boten des Schwarzen Dogen. Sie waren seine Augen und Ohren. Sie konnten überall in Venedig auftauchen, ohne Verdacht zu erregen. Der Schwarze Doge schickte sie aus, damit sie ihm berichteten, wie weit die Vorbereitungen seiner Feinde gediehen waren und was sie als nächstes unternehmen. Der Schwarze Tod hatte so viel Macht auf seinen Helfer, den Schwarzen Dogen, übertragen, daß dieser die Tauben mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet hatte. Die Tiere dachten intelligent, auch wenn sie nichts weiter als Sklaven der Hölle waren. Sie belauschten die Gespräche in der Prefettura, so daß die Kriminalpolizei keinen Schritt unternehmen konnte, der nicht dem Schwarzen Dogen zu Ohren kam. Und die Feinde, die aus England gekommen waren, standen ebenfalls unter strenger Beobachtung.
    Der Schwarze Doge kauerte auf seinem Thron, einem Sarg. Die Skelette, die für ihn die niedrigen Dienste versahen, hatten zu beiden Seiten ihres Meisters Aufstellung genommen. Ihre Pflicht war es auch, den Thron aus dem Hauptquartier des Dämons in die Gondel und wieder zurück zu tragen.
    Der Schwarze Dämon hockte verkrümmt da, als habe er Mühe, sich aufrecht zu halten. Das täuschte. Schon zu Lebzeiten, als er noch Doge von Venedig gewesen war, hatte er stets diese Haltung eingenommen, listig, verschlagen und hinterhältig. Er belauerte alles und jeden und war stets auf der Hut vor Angriffen. Das hatte ihn als Mensch schon fast unangreifbar gemacht, als Dämon fühlte er sich unschlagbar. Er wußte den Schwarzen Tod hinter sich! Dieser nach Asmodis mächtigste Geist der Hölle unterstützte ihn. Es konnte gar nichts schiefgehen.
    Der Mund des Schwarzen Dogen öffnete sich zu einem schaurigen Gelächter. Entsetzt flatterten Tauben
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