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0079 - Der Tyrann von Venedig

0079 - Der Tyrann von Venedig

Titel: 0079 - Der Tyrann von Venedig
Autoren: Richard Wunderer
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und Fledermäuse hoch und flohen durch die vernagelten Fenster nach draußen.
    »Ihr seid meine Armee des Bösen«, sagte er zischend und spuckend zu den dreiundvierzig Männern und Frauen, die bei seinen Worten wie unter Peitschenhieben zusammenzuckten. »Noch seid ihr wenige, aber es werden täglich mehr! Niemand kann euch aus meinem Dienst befreien! Niemand!«
    Wieder erschütterte ein häßliches Lachen den verkrümmten Körper unter dem weiten Umhang. Keiner der Menschen konnte das Gesicht des Dämons erkennen. Es bildete lediglich eine schwarze Fläche, die nur von den bleichen Augen unterbrochen wurde. Und das Unheimliche an diesen Augen war, daß sie ausschließlich aus den weißen Augäpfeln bestanden ohne Pupillen!
    »Ihr alle habt schon erkannt, daß ihr meiner Macht nie mehr entkommen werdet! Aber einer von euch hat es dennoch versucht und der Polizei einen Zettel mit einer Nachricht zugespielt! Nicht zuletzt deshalb ist dieser John Sinclair aus London gekommen! Ich werde den Verräter bestrafen! Tritt vor!«
    Ein junger Italiener löste sich widerstrebend aus der Gruppe des Sklaven. Alles in ihm sträubte sich dagegen, den Befehl des Schwarzen Dogen auszuführen. Er schien über größere innere Abwehrkräfte gegen den Dämon zu verfügen, sonst hätte er es gar nicht geschafft, die Nachricht aus dem Palazzo zu schmuggeln. Der junge Mann war noch keine zwanzig Jahre alt, groß, sportlich, mit dunklen Haaren und ehrlichen Augen. Sie waren haßerfüllt auf den Schwarzen Dogen gerichtet.
    »Du liebst mich nicht«, stellte der Dämon kichernd fest. Seine mit Tuch umwickelte Hand tauchte unter dem Umhang auf. Der gekrümmte Zeigefinger winkte. »Tritt näher, mein Sohn, und sage mir, wie du heißt!«
    Obwohl er sich dagegen stemmte, mußte der junge Mann dem Befehl gehorchen. »Antonio Gianelli!« stieß er heiser hervor.
    »Gut, mein Sohn!« Der Zeigefinger stach dem Jungen entgegen. »Ich habe eine besondere Aufgabe für dich! Sobald du sie ausgeführt hast, wirst du eines grausigen Todes sterben, und deine Seele wird für immer dazu verdammt sein, mir zu dienen! Doch nun höre den Befehl!«
    Der Schwarze Doge schüttelte drohend die Faust.
    »Töte John Sinclair!«
    Wie eine Marionette setzte sich Antonio Gianelli in Bewegung und verließ den Saal. Er hatte keine Wahl. Er mußte den Befehl ausführen und einen Mann töten, der ihm nichts getan hatte!
    ***
    Obwohl wir mit dem Essen bereits fertig waren, blieben wir an unserem Tisch sitzen. Die anderen aßen noch, und Joe Tarrant hatte noch nicht das Zeichen zum Aufbruch gegeben. Wir waren Pauschaltouristen, so lange wir unsere Tarnung aufrecht erhielten.
    Ich bezweifelte allerdings, ob das noch viel Sinn hatte. Der erbittertste Gegner hier in Venedig, der Schwarze Doge, hatte uns bereits durchschaut.
    Schon wollte ich mit meinen Begleitern darüber sprechen, als jemand an unseren Tisch trat. Ich blickte hoch, erwartete den Kellner und sah eine atemberaubende Frau vor mir.
    Sie war etwa so groß wie ich, und das ist eine ganze Menge. Pechschwarze Haare, brauner Teint, feingeschwungene Augenbrauen und glutvolle, schwarze Augen. Eine kleine Nase und große sinnliche Lippen verliehen ihrem Gesicht einen so interessanten Ausdruck, daß ich erst beim zweiten Blick ihre Figur musterte.
    Die war allerdings eine ausführliche Betrachtung wert. Die Frau, die ich auf Mitte Dreißig schätzte, trug ein schlichtes, weißes Sommerkleid, das eben ihre Knie bedeckte.
    »Signor Sinclair?« fragte die attraktive Italienerin. »Darf ich?«
    Ehe ich etwas erwiderte, zog sie sich bereits einen Stuhl heran und setzte sich unglücklicherweise zwischen Jane und mich. Janes Augen leuchteten auf. Wer weiß, was sie in diesem Moment dachte. Aus der romantischen Gondelfahrt würde wahrscheinlich nichts werden. Jane war im Moment nicht romantisch gestimmt, sondern eifersüchtig.
    »Signora?« Ich musterte sie ratlos. »Haben wir uns schon einmal gesehen?«
    »Welche einigermaßen hübsche Frau hast du noch nicht kennengelernt, John Sinclair?« fragte Jane spitz.
    Die Unbekannte kümmerte sich nicht darum. Sie sah mich ernst an. Erst jetzt bemerkte ich die harten, tief eingekerbten Linien an ihrem Mund. Kummerfalten!
    »Ich bin Gloria Gianelli«, stellte sie sich vor.
    Ich nannte ihr die Namen der anderen. »Woher kennen Sie mich?«
    Sie lächelte knapp. »Es gibt nichts in Venedig, das ich nicht erfahre, Signor Sinclair! Sie sind Geisterjäger, Signorina Collins ist Privatdetektivin,
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