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0066 - Ich folgte dem roten Wagen

0066 - Ich folgte dem roten Wagen

Titel: 0066 - Ich folgte dem roten Wagen
Autoren: Ich folgte dem roten Wagen
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schnelle Wagen, und das war auch der Grund, weshalb ich mich mit dem roten Sportwagen beschäftigte. Soweit ich es aus der Entfernung erkennen konnte, schien es sich um ein ausländisches Modell zu handeln. Jedenfalls aber hatte er einen enorm tüchtigen Motor unter der rot glänzenden Kühlerhaube. Mühelos überholte er ein Fahrzeug nach dem anderen und blieb immer in gleicher Höhe mit unserem Zug, der immerhin seine siebzig bis achtzig Meilen machte.
    Bei der nächsten Stadt geriet die Straße aus meinem Blickfeld. Die alte Dame stieg aus, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Als der Zug wieder angefahren war, kam ein älterer Herr in mein Abteil.
    »Gestatten Sie?«, fragte er höflich.
    Ich nickte.
    »Selbstverständlich.«
    Ich hatte ihn nur mit einem kurzen Blick gestreift und wollte mich schon wieder dem Fenster zuwenden, als in meinem Gehirn etwas schaltete. Ich sah unauffällig noch einmal zu dem Mann.
    Tatsächlich, es war der ältere Herr, der in Cincinnati noch im letzten Augenblick auf den fahrenden Zug gesprungen war. Aber was mir jetzt auffiel, war viel seltsamer als seine verblüffende Gewandtheit: Der Mann war gar keine sechzig Jahre alt. Fünfunddreißig vielleicht. Seine weißen Haare waren nichts anderes als eine Perücke, und selbst die war noch ziemlich ungeschickt aufgesetzt. Die Schminke in seinem Gesicht, die ihn alt erscheinen lassen sollte, konnte auch nicht gerade von einem Fachmann stammen.
    Na, wenn am helllichten Tag Leute mit Schminke und Perücke herumlaufen, dann ist das sicher kein alltäglicher Anblick. Andererseits leben wir in den USA, und es ist jedermanns gutes Recht, sich Perücken auf den Kopf zu setzen, solange er Lust und Laune dazu hat.
    Aber verdächtig bleibt es eben doch. Aus lauter Jux tut man so etwas nicht. Ich dachte ein bisschen darüber nach, was ihn wohl dazu veranlasst haben könnte.
    Er unterbrach meine Überlegungen mit der in jedem Zug üblichen Frage: »Fahren Sie auch bis Louisville?«
    Ich nickte. »Ja, das hatte ich vor.«
    »Louisville ist eine nette Stadt«, fing er an.
    Ich hörte ihm nicht zu. Jeder hält jede Stadt für nett, wenn er irgendwie mit ihr zusammenhängt. Stattdessen sah ich wieder zum Fenster hinaus. Der Highway hatte sich wieder an die Bahnlinie herangeschlängelt.
    Und da war auch wieder der rote Sportwagen. Noch immer überholte er ein Fahrzeug nach dem anderen. Es sah fast so aus, als wollte er unbedingt mit dem Zug auf gleicher Höhe bleiben. Dieser Eindruck war selbstverständlich ein glatter Irrtum. Der Fahrer würde andere Sorgen haben, als sich darum zu kümmern, mit einem Zug auf gleicher Höhe zu bleiben.
    Ich versuchte, das Fabrikat des Wagens zu erkennen, aber wieder wurde ich unterbrochen. Die Tür zu unserem Abteil wurde aufgeschoben und jemand trat ein. Unwillkürlich wendete ich den Kopf, um mir den Eintretenden kurz anzusehen.
    Meine Betrachtung dehnte sich länger aus, als ich eigentlich vorgehabt hatte. Der Eintretende trug einen Wettermantel mit hochgestelltem Kragen, einen leichten Sommerhut, den er tief in die Stirn gezogen hatte, und außerdem eine Maske vor dem Gesicht.
    »Na los, Hände hoch«, krächzte er unter seinem Tuch hervor.
    An der Ausbeulung in seiner Manteltasche war unschwer zu erkennen, dass er den Lauf einer Pistole auf mich richtete. Die freundliche Aufforderung, meine Hände zu heben, ließ darüber gar keinen Zweifel aufkommen.
    Während ich langsam meine Arme nach oben streckte, riss der Bursche die Vorhänge vor der Abteiltür zu. Da er sich dabei nicht umdrehen konnte, weil er mich nicht aus den Augen lassen durfte, blieb ein ziemlich breiter Spalt vom Fenster, das hinaus in den Gang blickte, unbedeckt.
    Ich blickte unauffällig hinüber zu meinem Perückenmann, weil ich hoffte, ich könnte mich mit ihm durch ein Zeichen über die Art verständigen, wie wir diesem maskierten Bahnräuber das schmutzige Handwerk legen könnten.
    Der Perückenknabe hielt ebenfalls eine Pistole in der Hand. Und auch die zeigte auf meinen Magen.
    Mit dem Kopf machte er eine Bewegung zur Abteiltür hin.
    »Aussteigen!«, befahl er lakonisch.
    Sind Sie schon mal aus einem fahrenden D-Zug ausgestiegen, der mit 70 Meilen über die Gleise rast? Ich habe so etwas noch nicht hinter mir. Und ich hatte auch nicht die Absicht, so etwas überhaupt zu probieren.
    Andererseits wird jede Forderung zu einer ernsten Sache, wenn sie von zwei Pistolen unterstrichen wird. Ich stand langsam auf und blickte zur Abteiltür,
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