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0031 - Die Tiefsee-Monster

0031 - Die Tiefsee-Monster

Titel: 0031 - Die Tiefsee-Monster
Autoren: Michael Kubiak
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der nicht weit von hier auf dem Festland stand. Ich war glücklich in der Stätte, an der man mir Ehre zuteil werden ließ. Und ich betrachtete die Menschen mit Wohlgefallen. Bis Piraten kamen und den Tempel schändeten. Sie nahmen meinen Dreizack, das Zeichen meiner Macht und meiner Würde, und wollten damit über die Meere entfliehen. Doch ich habe sie verfolgt und eingeholt. Ich wühlte die Wogen auf, ließ sie sich haushoch türmen und schleuderte das Schiff, auf dem die Piraten sich befanden, in die Tiefen der See. Sie hätten den Weg in den Hades, die Unterwelt, antreten müssen. Doch ich bat Zeus, sie mir zu überlassen, daß ich sie für ihre Freveltat bestrafen konnte. Er gewährte mir die Bitte, und ich machte sie zu Wächtern über den Tempel, den sie mir hier erbauen mußten. Wie du siehst, haben sie ihre Arbeit aufs Beste geleistet. Und immer trugen sie Sorge, daß ich nicht in meiner göttlichen Ruhe gestört wurde. Bis Männer kamen und meinen Tempel auf dem Festland ausgruben. Da mußte ich erkennen, daß der Mensch keine Ehrfurcht mehr vor den Göttern seiner Ahnen hatte. Und ich wollte meine Diener für ihre Arbeit lohnen. Sie sollten ihre ewige Ruhe haben. Doch ein Gott kann nur Geschenke geben, wenn ihm ein Opfer dargebracht wurde. Bei mir war der Wille, sie zu bestrafen, im Laufe der Jahrhunderte zu einem festen Bestandteil meines göttlichen Ichs geworden. So mußte es dann ein sehr wertvolles Opfer sein, das mich ihnen gewogen stimmen würde. Und das Wertvollste auf dieser Welt ist der Mensch. Ich habe ihnen das Versprechen gegeben, sie in den Tod zu entlassen, wenn sie mir ein solches Opfer darbringen würden. Nun haben sie es fast erreicht. Die Opfer liegen auf dem Stein, der mir die Opfergaben zuführen soll. Meine Schergen stehen dicht vor ihrem Ziel. Da erscheinst du und machst alles zunichte, was sie sich erträumt hatten. Verstehe, Mensch, ich kann sie nicht aufhalten. Ich kann vielleicht nur dich schützen und Sorge tragen, daß du dieser Stätte unversehrt entkommen kannst. Doch die Gefangenen hier haben ihr Leben verwirkt, zumal auch sie die Ruhe eines Gottes stören wollten. Der Lehrling ist dem Zaubermeister über den Kopf gewachsen, Götter stehen im Dienste der Menschen, da er mit ihnen leben muß. Ein Gott darf ein Opfer nur in ernsten Fällen eines Frevels verweigern. Ich muß dieses Opfer annehmen, damit ich ihnen den ewigen Frieden schenken kann. Darum geh jetzt und kehre nicht wieder!«
    Zamorra lauschte der Stimme nach, die ihn erfüllt hatte und ihn erzittern ließ. Ein Gott, der die Macht über die Geister verloren hatte, die er gerufen hatte. Schon oft hatte er es erlebt, wenn er Menschen getroffen hatte, die meinten, sich mit dem Satan verbünden zu können. Auch sie hatten einsehen müssen, daß mit dem Bösen kein Pakt zu schließen war. Doch ein Gott?
    »Ich lese deine Gedanken, Mensch. Es ist wirklich so, wie ich dir mitgeteilt habe. Ich kann die Geister der Piraten nicht aufhalten, weil sie mir immer treu gedient haben. Geh jetzt, damit das Opfer seinen Fortgang nehmen kann!«
    Die ganze Zeit, die der Gott zu ihm gesprochen hatte, waren die Schreckensgestalten unbeweglich stehengeblieben. Keiner hatte sich gerührt oder Anstalten gemacht, den Eindringling in dieses gespenstische Reich der Unterwelt anzugreifen.
    Doch jetzt kam wieder schreckliches Leben in sie. Geschlossen rückten sie gegen den Professor vor.
    Sie hatten jetzt alle die Schwerter gezogen und waren bereit, sich jeden Augenblick auf ihn zu stürzen und ihn zu vernichten.
    Zamorra erkannte, daß er gegen sie keine Chance haben würde.
    Auch mit dem Amulett würde ihm das nicht gelingen, ihrer Herr zu werden. Seine Gedanken rasten. Er suchte fieberhaft nach einem Ausweg aus dieser schrecklichen Situation.
    »Halt! Einen Augenblick!«
    Sein Ruf hallte durch die Halle. Ihm war, als würde in das Relief über dem Kultstein Leben einströmen.
    »Ich habe einen Vorschlag zu machen, den du, Poseidon, annehmen sollst, wenn es stimmt, was man von dir sagt, nämlich daß du die Menschen liebst. Ich weiß, daß du auch ein Gott des Kampfes bist und Mannesmut zu schätzen weißt. Laß diese beiden gehen. Gib ihnen die Möglichkeit, zu ihrem Zuhause zurückzukehren. Dafür will ich hierbleiben und mich an ihrer Stelle opfern lassen. Ich habe keinen, der um mich trauern wird, wenn ich sterbe. Doch sie haben Menschen, die sie lieben und von denen sie geliebt werden. Hab Erbarmen und gib ihnen die Freiheit.«
    Zamorra
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