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0026 - Die Braut des Henkers

0026 - Die Braut des Henkers

Titel: 0026 - Die Braut des Henkers
Autoren: Michael Kubiak
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die Begierde, dieses Mädchen zu besitzen. Sie stellte alles dar, was er sich in seinen wildesten Träumen erwünscht hatte.
    Sehnsüchtig streckte er seine Arme aus und merkte nicht, wie er nach und nach die Macht über seinen Körper und über seinen Geist verlor. Sein Atem ging schwer, und seine Gedanken rasten.
    »Brian! Brian McPeters. Ich habe auf dich gewartet. Hab keine Furcht. Ich will dich glücklich machen.«
    Brian McPeters traute seinen Ohren nicht mehr. Dieses überirdische Wesen war zu ihm gekommen, hatte auf ihn gewartet?
    Ein sehnsuchtsvoller Seufzer entrang sich seiner Kehle. Er breitete seine Arme aus, als wollte er das Mädchen damit umfangen.
    Sie lachte silberhell auf. »Nicht so ungeduldig, mein Freund. Warte noch, dann wird es viel schöner für uns.«
    Brian räusperte sich. Seine Stimme klang heiser.
    »Wer bist du? Wo kommst du her?«
    Die Erscheinung schwebte über dem Wasser neben dem Schiff her, das schwerfällig durch die Wellen stampfte. Sie schüttelte unwillig den Kopf. »Frag nicht so viel. Ich weiß, wer du bist. Das genügt uns doch, oder?«
    Eine Hand hatte sie hinter dem Rücken verborgen, die andere streckte sie dem jungen Mann entgegen.
    »So komm doch zu mir. Überleg nicht lange. Tu es.«
    Brian löste zögernd seine Hände von den Seilen, mit denen die Whiskyfässer auf den Decksplanken festgezurrt waren.
    Ein Brecher prallte gegen den Rumpf. Das Boot wurde hochgehoben und krachte hinunter in ein Wellental. Brian schien es nicht zu bemerken.
    Mit einem verzückten Gesichtsausdruck kletterte er über die Reling und tat entschlossen einen Schritt ins Leere.
    Und auch er schwebte nun über den Wellen!
    Es verwirrte ihn nicht im Geringsten. Leichtfüßig eilte er auf das Mädchen zu, das die Sendbotin aus einer anderen Welt sein musste.
    Wer sonst sollte ihm das Glück schenken, das er sich erträumte?
    Die Hände der beiden berührten sich. Den jungen Mann durchzuckte es wie ein elektrischer Schlag. Er blieb stehen, schwebte über den aufgepeitschten Wogen.
    Er hob den Kopf, blickte der Erscheinung in die Augen. Deren Ausdruck hatte sich verändert. Wo vorher noch Zuneigung und Verheißung gestrahlt hatten, da brannte jetzt der nackte Hass.
    Und plötzlich wurde auch Brian McPeters wieder in die Wirklichkeit dieser stürmischen Nacht zurückgeschleudert.
    Auf einmal wusste er, dass er dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte.
    Es war Ophelia Killaern!
    Ein Bild von ihr hing in einer Nische der kleinen Kapelle. Es war die Frau, die damals vor dreihundertfünfzig Jahren spurlos verschwunden war, nachdem man am Tage ihrer Hochzeit den Bräutigam in einer Orgie von Hass und Gewalt ums Leben gebracht hatte.
    Brian erinnerte sich an die Erzählungen der Alten, die seit Generationen im Dorf herumgingen. Es musste Ophelia sein!
    Und nun tauchte die Hand auf, die sie hinter ihrem Rücken verborgen gehalten hatte. Im Schein der Lichtwolke blitzte das Henkerbeil auf, das er schon so oft in der Kirche mit leisem Schauder betrachtet hatte.
    Schlagartig wusste er, was das zu bedeuten hatte. Wenn das Beil von seinem Platz verschwand, musste wieder einer aus der Dorfgemeinschaft sein Leben lassen! Und er war der Einzige, auf den das zutreffen konnte.
    Mit einem wilden Angstschrei wandte er sich um. Er wollte zurück zu seinem Schiff, glaubte in seiner bodenlosen Furcht, er würde sein Leben retten können.
    Da holte die Geistererscheinung aus. Sie schwang das Henkerbeil hoch und ließ es mit einem pfeifenden Laut durch die Luft sausen.
    Es traf den Mann im Nacken. Glatt fuhr die Schneide durch den Hals und trennte den Kopf vom Rumpf.
    Der kopflose Torso machte noch einige Schritte in der Luft. Dann brach er nieder. Die geheimnisvollen Kräfte, die ihn über den Wogen in der Schwebe gehalten hatten, verschwanden, und er stürzte in die Wogen.
    Die Geistererscheinung lachte noch einmal triumphierend auf, dann glitt sie eilig auf das nahe Ufer zu. Dabei verflüchtigte sich das Leuchten, das ihren Astralkörper erfüllt hatte. Bald war sie in der Finsternis nicht mehr zu erkennen.
    Das Schiff stampfte führerlos auf den Strand zu.
    Zwei Stunden später lief es unter einem lauten Krachen auf.
    Die Leute, die zum Strand eilten, an der Spitze der alte Titus McPeters, standen vor einem Rätsel. Sie mussten den alten Mann beruhigen, der sich in seinem Schmerz ins Meer stürzen wollte.
    Als der Tag graute, fand man angeschwemmt von den Wogen der irischen See den kopflosen Leichnam und nicht weit davon
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