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0026 - Die Braut des Henkers

0026 - Die Braut des Henkers

Titel: 0026 - Die Braut des Henkers
Autoren: Michael Kubiak
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entfacht?
    Verdutzt blickte Brian erst auf seinen Handscheinwerfer, dann wieder zum Ufer. Er hatte sich nicht getäuscht.
    Dort existierte wirklich ein Lichtschein. Weißlich und von seltsamer Kälte. Auf jeden Fall stammte dieses Licht nicht von einem Holzfeuer. Das war ihm sofort klar.
    Doch was sollte es sonst sein?
    Brian bückte sich. Er öffnete einen an Deck verschraubten Holzkasten und holte ein schon ziemlich lädiertes Fernglas heraus.
    Er hängte sich den Lederriemen um den Hals und schaute hindurch.
    Zu seiner Verwunderung konnte er nichts erkennen. Gut, der Lichtschein war größer geworden und heller, so hell, dass er ihn fast blendete, aber erkennen konnte er immer noch nichts. Ohne zu flackern erhellte dieser ovale, rätselhaft materielose Lichtfleck die aufgepeitschten Wogen.
    Und dann fiel dem Schmuggler etwas auf. Der Lichtschein näherte sich. Erst unmerklich, dann immer schneller. Bald schon füllte er das ganze Gesichtsfeld des Fernglases aus. Brian musste das Glas von den Augen nehmen, so hell war der Lichtfleck geworden, und er hatte das Gefühl, er würde ihm die Augen aus dem Schädel brennen.
    Brian strich sich über sein unrasiertes Kinn. Das verstand er überhaupt nicht. Sollte er schon unter Halluzinationen leiden? Er griff nach dem Steinkrug, der in einer Halterung gesichert war, und nahm einen kräftigen Schluck Whisky.
    Dann blickte er wieder in Richtung Ufer.
    Seine Augen hatten ihm keinen Streich gespielt. Der Lichtfleck war tatsächlich vorhanden und wuchs von Sekunde zu Sekunde. Er kam immer näher, schien geradezu heranzuspringen.
    Brian schüttelte den Kopf. Das verstand er nicht. Er hatte zwar schon von Elmsfeuern gehört, doch die gab es in dieser Gegend mit Sicherheit nicht. Auch sah es überhaupt nicht nach einem Gewitter aus.
    Seine Gedanken jagten sich. Diese Erscheinung hatte es offensichtlich auf ihn abgesehen. Zumindest kam sie genau auf ihn zu. Und das genügte ihm, um ihn aus seiner Erstarrung zu reißen. Entschlossen löste er den Strick um das Steuerruder und warf es herum.
    Nichts wie weg von hier, war sein einziger Gedanke. Unter Umständen war es ein Polizeiboot, und man hatte nur auf ihn gewartet.
    Wenn er den in die Finger bekam, der ihn verpfiffen hatte! Dem würde er sämtliche Zähne einschlagen.
    Das Boot beschrieb einen weiten Bogen. Die Planken ächzten wie unter Protest auf. Doch dann fasste die Schraube und schob das Boot vorwärts. Auf und nieder tanzte es, und Brian musste sich mit aller Kraft an das große Ruderrad klammern, um nicht von den Brechern von Bord gespült zu werden.
    Er dachte schon daran, die Ladung einfach ins Meer zu werfen und sich ganz dumm zu stellen, als er etwas hörte, das ihn zusammenzucken ließ.
    »Brian! Brian McPeters! Hörst du mich?«
    Sein Kopf ruckte herum. Wer rief da nach ihm? Hier, in der wilden See? Er litt wohl schon unter Wachträumen. Verdammt, die konnte er sich jetzt nicht leisten.
    Er drehte seinen Kopf und starrte voraus. Dann ließ er das Rad los und tastete sich nach achtern. Bei den Fässern, die er auf Deck vertäut hatte, verharrte er. Einen Moment zögerte er noch. Dann siegte seine Angst. Noch einmal wandte er sich um und suchte den Lichtschein. Vielleicht zweihundert Meter entfernt schwebte er über den Wogen. Und wieder hörte Brian McPeters seinen Namen rufen.
    »Brian! Brian McPeters, so höre doch! Hab keine Angst! Von mir droht dir keine Gefahr! Ich habe auf dich gewartet!«
    Brian schüttelte den Kopf. Nein, was er nun sah, das war zu fantastisch. Er versuchte seine Augen zu verschließen. Er schaffte es nicht. Eine ihm unerklärliche Macht zwang ihn, die Augen weit offen zu halten und das unglaubliche Schauspiel zu verfolgen.
    Der Lichtfleck veränderte seine Form, wurde ovaler und immer durchscheinender. Eine Gestalt schälte sich heraus. Es war ein wunderschönes Mädchen, das zum Vorschein kam und auf die ›Mescalina‹ zu schwebte.
    So etwas hatte Brian noch nie gesehen. Er traute seinen Augen nicht. Doch sonderbarerweise hatte er kein bisschen Angst vor dieser Erscheinung. Ja, sie schien für ihn sogar etwas Beruhigendes und Beglückendes zu haben.
    Das Mädchen trug ein weißes Kleid, ein Brautkleid. In fließenden Wellen wallte der Schleier über ihren Rücken. Ihr Mund war halb geöffnet. In ihren Augen lag eine unausgesprochene Verheißung, die dem jungen Mann auf dem Schiff heiße Schauder über den Rücken jagte.
    Er spürte, wie seine Knie nachzugeben drohten, so groß wurde in ihm
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