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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
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Kilometer Nebenstrecke bis zum Anfang des Fußwandersteiges.
    Berauschende Aussichten waren versprochen. Nach den ersten zweihundert Metern Höhe über Steine und Geröll, durch Gebüsch und sumpfige Wiesen erhaschten wir soeben noch einen Blick auf den glitzernden Lough Leane, dann hatten wir die Wolkengrenze erreicht. Dichter weißer Nebel umhüllte uns. Ob es diesen Berg überhaupt gab? Nichts war mehr sicher. Ob der Teufel nicht längst, nachdem er ausgiebig am Punsch genippt hatte, die Wegmarken ausgetauscht, verstellt oder gar versteckt hatte?
    Und was sollte das mit dem Punch Bowl? Was hieß Punch eigentlich? Punsch natürlich, das war klar. Aber es hieß auch Faustschlag, Locher, Lochzange. Oder sogar Kasperle und Hanswurst.Es war also noch nicht raus, wer hier wen vielleicht zum Hanswurst machte.
    Die pyramidenförmigen Steinhäufchen, genannt Steinmänner, die als Wegmarken dienen sollten; die Gatter, die verrosteten alten Zaunpfähle; die Pferde- und Eselspfade, auf denen sie früher schon die Touristen zum Gipfel geschaukelt hatten: ob das alles stimmte? Und die Ebene, in mittlerer Höhe, auf der eine für Irland siegreiche Schlacht getobt haben sollte? Hier oben eine Schlacht? Unwahrscheinlich, und siegreich für Irland? Noch unwahrscheinlicher!
    Nebelschwaden zogen hinauf, schneller als wir bei dem warmen Wetter. Wir waren schweißgebadet. Der Teufel sollte das Punschglas holen, aber auch das ging nicht, er hatte es schon.
    ‘Dann nimmt das Gelände sich zurück’.
    So stand es im Reiseführer. Das Gelände nahm sich zurück! Eine Zeitlang ging der Weg fast eben weiter, wir brauchten nicht auf ihn zu achten, hätten uns ganz den berauschenden Aussichten widmen können.
    Wenn uns der Teufel den siebten Sinn und den Durchblick durch die Wolken verschafft hätte, könnten wir sicher den Nordgipfel des Mangerton Mountains vor uns aufragen sehen, rechterhand die kahlen Höhen der Macgillycuddys Reeks, des höchsten Gebirgszuges Irlands. Und wenn man zurückschaute, tief unter uns, wären die in dunkles Grün eingebetteten Wasserflächen des Lough Leane und des Upper Lakes zu sehen; linkerhand, nach Osten zu, ein kleinerer See. Und weit, weit in der Ferne, die Berge der Halbinsel Dingle ,wo das Wetter gekocht wird.
    Weiß der Teufel, ob wir einen der Steinmänner übersehen hatten, oder ob wir schon längst auf der falschen Fährte waren, jedenfalls hatten wir den Weg verloren. Durch das grobe Geröll eines trockengefallenen Baches stolperten wir weiter nach oben. Nach oben war auf jeden Fall richtig.
    »Nicht, daß wir auf dem Glenflesk landen«, warnte Ilse.
    »Auf so einem Winzling? Der hat doch fünfhundert Fuß weniger, niemals !« keuchte ich, die durchweichte Wanderkarte in der Hand.
    »Da, ein Steinmännchen!« Aus dem Nebel tauchten die Reste einer Wegmarke auf. Gerettet. Um uns dichte Wolken.
    Dann hörten wir es leise rauschen. Das mußte der Abfluß des Gipfelsees sein!
    Nach zweihundert Metern über einen sumpfigen Wiesenpfad erreichten wir einen kleinen Wasserlauf. Von einem See war nichts zu sehen. Langsam tasteten wir uns am Wasserlauf entlang — plötzlich erblickten wir die schwachen Umrisse des Ufers, weiter ging es nicht. Der See, des Teufels Punschglas, lag vor uns. Das andere Ufer war nicht zu sehen.
    Wir hockten uns auf einen der umherliegenden Felsen und packten, allen Teufeln zum Trotz, unseren Proviant aus. Um uns dichte Wolken.
    »Nicht gerade der beste Tag für eine Erstbesteigung«, bemerkte Ilse gerade, als uns ein Geräusch aufschreckte. Ein Schaben, ein Rascheln, wie Schritte. The Devil? Schnell drehten wir uns um. Nein, nicht der Teufel war es, erschrockener als wir glotzte uns ein Schaf an.
    »Einen Schluck zu trinken«, bat ich.
    Ilse reichte mir die Flasche.
    Das Schaf flüchtete.Und dann hatte der Berggeist, die Wettergöttin oder wer auch immer ein Einsehen, unmerklich fast, nach und nach hob sich die Wolkendecke. Ein Ahnen von Sonne durchdrang den Nebel, einzelne Fetzen wehten über den sichtbar werdenden See, auf einmal tauchten uns gegenüber am anderen Ufer Berghänge auf. Innerhalb einer halben Stunde saßen wir im grellen Sonnenschein, vor uns spiegelten sich die umliegenden Hänge im kristallklaren Wasser des Bergsees, der wie ein Kratersee geformt ist, weshalb man den Mangerton lange Zeit für einen erloschenen Vulkan hielt. Doch das Seebecken, Relikt eines kleinen Gletschers, stammt aus der Eiszeit,
    Und ganz unten versteckt sich noch etwas Eiswasser, original
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