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Die Suche nach der Sonne

Die Suche nach der Sonne

Titel: Die Suche nach der Sonne
Autoren: Colin Kapp
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Kapitel 1
     
    Als er auf die großzügige Vorhalle des Hyperreise-Terminals 2-11-80-D zuschritt, folgten ihm zahlreiche Augenpaare. Niemand wußte, wer er war, aber sein Körperbau, die Leichtigkeit seiner Bewegungen und seine geradezu fesselnde Häßlichkeit zogen die Reisenden unwillkürlich in ihren Bann. Wäre es in der riesigen Halle ruhiger gewesen, wäre ihnen vielleicht sogar etwas noch Ungewöhnlicheres an Maq Ancor aufgefallen: Sein Gang war so lautlos wie der einer Katze.
    Tausende winzige Falten überzogen sein energisches und doch jugendliches Gesicht, und jede von ihnen schien einen Aspekt seines erheblichen Intellekts widerzuspiegeln. Die Falten verliehen seinen Zügen gleichzeitig etwas Animalisches, was ihm, zusammen mit der roten Mähne, die über den Kragen seines Mantels fiel, seinen legendären Spitznamen eingetragen hatte. Freunde wie Feinde – und er hatte von beiden genug – pflegten ihn ›den Löwen‹ zu nennen. Damit ließen sie einem ausgestorbenen Raubtier eine unverdiente Ehre zukommen, denn Maq Ancor war gefährlicher als jede andere Kreatur, die jemals existiert hatte.
    Er ließ die verschiedenen Hürden der Bürokratie zügig hinter sich. Der Preis der 354 Millionen Kilometer weiten Reise überstieg bei weitem die Summe, die die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben verdienten. Es waren deshalb nur wenige Kabinen des Exosphärenraumers belegt gewesen. Normalerweise konnten sich nur die wirklich Betuchten einen solchen Flug leisten. Der Löwe machte darin eine Ausnahme. Sein einziges Kapital bestand in seinem Können und seinen Waffen. Er, ein ehemaliger Meister der Mördergilde, ein Mann, auf dessen Kopf eine schwindelerregende Belohnung ausgesetzt war, war nicht nur ohne Anstellung, sondern auch ohne Aussicht darauf. Das hatte er zumindest geglaubt.
    Sein Ticket war zusammen mit einem Bündel gefälschter Ausweispapiere, einer erheblichen Geldsumme und einer Reihe weiterer Gegenstände angekommen. Die Anonymität des Absenders war derart perfekt, daß Maq fast ein Viertel der Länge der Mars-Schale zurückgelegt hatte, ohne die Identität seines Gönners enthüllen zu können. Sein einziger Anhaltspunkt bestand in einer Karte, die ihm Zutritt zu allen Attraktionen des Solaren Zirkus verschaffte, der gegenwärtig in der Region 2-11-80 gastierte.
    An der Kontrollschranke legte man seine Papiere dem Identifile-Scanner zur Überprüfung vor. Nach außen hin schien Ancor völlig unruhig das Ende des Vorgangs abzuwarten; in Gedanken bereitete er sich darauf vor, jeden Augenblick wie ein Raubtier vorzuschnellen. Die Papiere waren derart perfekte Fälschungen, daß er kaum glauben konnte, daß sie nicht von einer Solaren Identifile-Stelle stammten. Dennoch war Maq für den Fall, daß sie der Überprüfung durch den Computer nicht standhalten sollten, darauf vorbereitet, sich den Weg aus dem Terminal freizuschießen.
    Kurz darauf kamen die Papiere in einer roten Hülle, die ihre Annahme signalisierte, zurück, und Ancor entspannte sich etwas. Die Wachen und Beamten um ihn herum erfuhren nie, wie nahe sie einem plötzlichen Tod gekommen waren. Der prüfende Beamte vollendete den Verwaltungsakt mit einer abschließenden Geste. Ihm schien ein Kommentar zu Maqs Gepäck auf der Zunge zu liegen, das aus einem umfangreichen Waffenarsenal bestand, aber irgend etwas in den löwenhaften Zügen des furchterregenden Besuchers hielt ihn zurück, und er öffnete die Schranke.
    Ancors Weg aus dem Terminal führte ihn über die Hauptetage der riesigen Vorhalle, in der reger Betrieb herrschte. Lange Schlangen warteten vor der gewaltigen Anlage des Speichen-Shuttles, und in den Gesichtern der Reisenden zeichnete sich alles andere als freudige Erwartung ab. Der Terminal diente hauptsächlich als Zwangsauswanderungszentrum, und die Passagier-Shuttles verkehrten nur in eine Richtung – nach außen. Die immer weiter wachsende Bevölkerung führte selbst auf der unvorstellbar großen Mars-Schale zu erdrückenden Lasten. Es war deshalb zwingend notwendig, einen Teil der Menschen unablässig abzuschöpfen und immer weiter weg zu befördern; dorthin, wo mit Hilfe von Terraforming neue Welten und Schalen erschaffen wurden. Diejenigen, für die dieses Prinzip alptraumhafte Wirklichkeit geworden war, fanden sich bleich und tränenerstickt in den Schlangen zu den Speichen-Shuttles wieder.
    Die Unbestechlichkeit der Auswahl wurde durch eine computerisierte Lotterie garantiert, die unmöglich zu manipulieren war.
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