Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
Vom Netzwerk:
vom Flugplatz, der in Sichtweite liegt, wenig. Nur wenige Maschinen starten und landen. Um so mehr hören wir die Traktoren der Farmer, die Rasenmäher aus benachbarten Gärten und Musik aus Wohnwagen. Neben uns in der Hecke zwitschert ein Vogel, und unser Transistorradio hat auch noch etwas Saft.

    Ausflug mit dem Bus nach Kinsale, nach ‘Cionn ‘Tsail’, wie es auf einigen Straßenschildern und Werbeprospekten steht. Von einer Bushaltestelle oder gar einem Fahrplan ist nichts zu entdecken. Doch, doch, es gibt einen Bus, und er fährt nach Kinsale. Die Frau in der Rezeption unseres Zeltplatzes ist beinahe beleidigt. Sie beschreibt uns genau, an welcher Stelle der Landstraße der Bus halten wird, und, nachdem sie einige Telefonate geführt hat , kann sie auch mit Abfahrtszeiten dienen.
    Kurz darauf warten wir an einsamer Stelle am Straßenrand, nichts außer unserem Wissen, daß der Bus kommen wird, deutet darauf hin, daß er es auch wirklich tun wird. Wenn wir nicht wüßten, daß Beckett ‘Warten auf Godot’ in Frankreich geschrieben hat: hier hätte die Stelle sein können. Trotz einiger Wochen Irland, die wir hinter uns haben, warten wir auf der falschen, der rechten Straßenseite in Fahrtrichtung. Wir merken es noch früh genug. Der Bus kommt pünktlich.
    Eine Zwanzig-Kilometer-Fahrt über schmale Landstraßen durch südirische, flache Landschaft liegt vor uns; mit Weiden, Kornfeldern, kleinen Bauerndörfern. Heute haben wir keine Lust, uns auf die harten Sättel zu schwingen, und geistig sind wir längst auf der Fähre. Ab und zu, nach einem geheimen System, das nur der Fahrer und die einheimischen Fahrgäste kennen, hält der Bus. Er hält auch auf Wunsch an anderen Stellen. Wir bewundern dieses System — bei uns zu Hause ist das Anhalten auf freier Strecke verboten, und trotz aller deutschen Gründlichkeit klappt so vieles nicht im öffentlichen Verkehrsbereich.

    Kinsale bei Sonnenschein, das Hafenstädtchen könnte am Mittelmeer liegen. Es wirkt gegen Dingle sehr proper, einige Straßenzüge sind verkehrsberuhigt, rot gepflastert. Sehr farbenfreudig, sehr englisch-irisch wirken die Hausfassaden, Lokale wetteifern mit dekorativen Einfällen. Drei Kunstgalerien entdecken wir, eine mit einem kleinen Café. Und eine Buchhandlung mit Antiquariat, im Wühlkorb vor dem Eingang liegt unter anderen Büchern Christian Morgensterns ‘Palmström’ in deutscher Sprache.
    Der alte Hafen hat eine neue Marina für die Segler erhalten, trotzdem seinen gemütlichen Charakter nicht verloren. Fischkutter, Segelboote, Ruderboote liegen in bunter Reihe, die Leichtmetallmasten der Kunststoffboote wetteifern mit den am Hafenrand sich wiegenden Bäumen.
    Gegen Abend haben wir Glück. Es zeigt sich das weiche, gelbe Kinsale-Licht, das die untergehende Sonne unter Wolkenschichten hervorschickt, als ginge der große Weichzeichner durch die Landschaft.
    Nachdem wir uns beim Fahrer vorsichtshalber nach der letzten Rücktour erkundigt haben, wandern wir hinaus zur Buchtöffnung, zum Charles Fort von 1670. Ein verwunschener Pfad unter Akazien führt am Ufer entlang, durch den Nebenort Scylly, an Ginster-, Brombeer- und Fuchsienhecken vorbei, durch den Geruch des Geißblatts, des ‘Je-länger-je-lieber’.
    Wir müssen nicht unbedingt zum Fort wegen seiner Geschichte. Die Engländer festigten seinerzeit damit ihre Herrschaft über die Stadt, nachdem irische Aufstände für Unruhe gesorgt hatten und den Iren spanische Truppen zu Hilfe gekommen waren. Die Engländer siegten, und eine Zeitlang durften keine Iren mehr in Kinsale wohnen.
    Heute gehört Kinsale den Iren und zeitweise den auch deutschen Touristen. Wir wollen nicht zum Fort wegen seiner Geschichte, sondern wegen des Leuchtturms, den es innerhalb seiner Mauern beherbergt. Nur die Kuppel lugt über die wuchtigen Fortmauern, die Malerin hat Schwierigkeiten, einen geigneten Platz zu finden. Sobald sie sich zum Zeichnen hinsetzt, sieht sie die Kuppel nicht mehr. Sie vergrößert die Entfernung, der Turm wird wieder sichtbar, nur wirkt er jetzt kleiner. Meine Ratschläge überzeugen Ilse nicht, so lasse ich sie allein, es wird schon klappen.
    Auf einem Felsen am Wasser hockend denke ich an den ‘richtigen’ Leuchtturm von Kinsale, der, schwarz-weiß-gestreift, weit draußen am Old Head of Kinsale hoch oben auf den Klippen steht. 1977 haben wir dort mit unserem VW-Bus übernachtet. Und wurden lange vom Autolärm der Leuchtturmbesucher gestört.
    Von den steilen Klippen des Old
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher