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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror
Autoren: Ulrich Tilgner
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bewusst vor der Weltöffentlichkeit abgeschottet. Es handelt sich nicht um irgendwelche Missverständnisse oder, wie Teheran offiziell verlauten lässt, um einige offene Fragen, die noch geklärt werden müssen. Iran kann seine Aktivitäten auf dem atomaren Sektor auch nicht öffentlich machen, ohne mit heftigen internationalen Reaktionen rechnen zu müssen. In Russland und auch in den nach dem Zerfall der Sowjetunion entstandenen zentralasiatischen Republiken sind für eine Bombenproduktion wichtige Elemente und auch Sprengköpfe, Granaten und komplette Bomben gekauft worden. Dies geschah unter dem Eindruck des achtjährigen Krieges mit Irak, den die Islamische Republik nur mit einer Mobilisierung der letzten Reserven durchstand. Ohne nennenswerte ausländische Unterstützung fehlten der Regierung im letzten Kriegsjahr die Devisen, neue Waffensysteme zu kaufen oder deren Entwicklung zu bezahlen. Vor allem die Revolutionswächter drängten darauf, neu aufzurüsten und auch Laserwaffen und Atombomben zu beschaffen. Am 16. Juli 1988, vier Tage bevor er einem Waffenstillstand öffentlich zustimmte, begründete der damalige Staatsführer Ayatollah Khomeini seine Entscheidung in einem Brief an die Spitzenpolitiker des Landes. Als Hauptgrund, den Krieg nicht fortzusetzen, nannte er die fehlenden Möglichkeiten, Waffenanforderungen der Kommandeure erfüllen zu können. »Wenn wir stark wären und über eine große Menge Laser- und Atomwaffen verfügen würden, die für einen Krieg derzeit notwendig sind, könnten wir eine Angriffsaktion durchführen«, lautete seine Lageeinschätzung. Um die Existenz des islamischen Systems nicht zu gefährden, akzeptierte er die UN-Bedingungen für einem Waffenstillstand. Mit dem Ende des Krieges bestand keine Notwendigkeit mehr, ein militärisches Atomprogramm fortzusetzen.
    Vor diesem Hintergrund müssen die iranischen Bemühungen Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre gesehen werden, eine Atombombe zu entwickeln.
    Genau diese Bemühungen werden heute unter dem Hinweis auf die außergewöhnlichen Umstände des Krieges mit Irak nicht mehr erwähnt, weshalb die damaligen Atompläne auch nicht als Beweis dafür dienen können, dass Iran dieses Vorhaben keineswegs aufgegeben hat. So legt Rohani in seiner internen Rede denn auch Wert darauf, zu betonen, Iran strebe ausschließlich eine zivile Nutzung der Atomtechnik an. Und in einem Artikel schreibt er: »Wenn wir die Absicht gehabt hätten, eine Bombe zu bauen, so hätten wir dies in der Zeit tun können, in der die IAEA unsere Arbeiten nicht aktiv überprüft hat.« 12 Doch dies ist gar nicht der entscheidende Punkt. Die offenen und die verdeckten Teile des Programms deuten darauf hin, dass die Islamische Republik seit mehreren Jahren systematisch auf die Schwellenfähigkeit zur Produktion von Atomwaffen hinarbeitet.
    Iran will nicht nur einer der führenden Rohstofflieferanten weltweit und das wirtschaftlich stärkste Land der Golfregion werden, sondern auch - zumindest indirekt - zum Club der Atommächte aufschließen. Aus einer Position der Stärke soll die internationale Isolierung durchbrochen und die weltweite Anerkennung erzwungen werden. Diese Politik wird von allen Fraktionen der iranischen Führung getragen. Vor diesem Hintergrund beginnen im Oktober 2003 die politischen Gespräche mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Bundesaußenminister Joschka Fischer erklärt mir nach seiner Ankunft in Teheran, die europäischen Staaten beabsichtigten, die Islamische Republik zu einem Verzicht auf einen geschlossenen Kreislauf atomarer Produktion zu bewegen und somit den Ausbruch einer neuen Krise im Mittleren Osten zu verhindern.
    Nach stundenlangen Verhandlungen willigt Iran ein, alle Arbeiten an der Urananreicherung auszusetzen. Dabei werden Gespräche jedoch mehrfach unterbrochen, weil die iranische Delegation für die Zugeständnisse an die Europäer eine Zustimmung von Ayatollah Khamenei, der höchsten geistlichen Autorität des Landes, einholen muss. Rohani zeigt sich in der Rückschau mit der Entwicklung sehr zufrieden: »Für uns war das ein sehr schönes Erlebnis. Wir haben die Sitzung im Oktober gut hinter uns gebracht. Leider hat das Vertrauen zwischen uns und Europa später einen Knacks bekommen.« 13
    Und das ist kein Wunder - während die Europäer
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