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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror
Autoren: Ulrich Tilgner
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Lage sei. Die Kapazität der bisher bekannten Anlagen reiche zudem nicht aus, um bereits in den kommenden Jahren eine Bombe herstellen zu können. Es werden sogar Vermutungen geäußert, der iranische Präsident übertreibe die Erfolge bezüglich der Urananreicherung, um seine Stellung zu festigen. So stamme das zu diesem Prozess erforderliche Uran-Hexafluorid gar nicht aus der eigenen Produktion, sondern es sei 1991 von China gekauft worden. 5 Allerdings wird damit auch deutlich, wie schwer es ist, den iranischen Machthabern eine zeitlich exakte Entwicklung eines militärischen Atomprogramms nachzuweisen.
    Den Beteuerungen aus Teheran, man habe nicht die Absicht, eine Bombe zu bauen, schenkt die internationale Staatengemeinschaft allein schon deshalb keinen Glauben mehr, weil die iranische Führung in den vergangenen Jahren die Öffentlichkeit weltweit über das Ausmaß des Atomprogramms und die Arbeiten daran getäuscht hat. Vor Ort lässt sich kein Eindruck gewinnen, zu sehr sind Dichtung und Wahrheit vermengt, zu üppig sprießen Gerüchte. In den vergangenen fünf Jahren bin ich mit vollkommen widersprüchlichen Aussagen konfrontiert worden. Dozenten und Professoren behaupten, wenn im Lande an militärischen Atomprogrammen gearbeitet werde, müssten sie es wissen; deren Existenz sei auszuschließen. Gleichzeitig wird aber von Forschungszentren in Bergstollen und unterirdischen Produktionsstätten gemunkelt. Nur gibt es dafür keine Beweise, und auch den Inspektoren der IAEA mangelt es diesbezüglich an konkreten Belegen.
    In dieser Situation könnte es sich vielleicht als hilfreich erweisen, die offiziellen Aussagen von Verantwortlichen zu bewerten. Vor allem Hojatoleslam Hassan Rohani, der ehemalige Generalsekretär des iranischen Nationalen Sicherheitsrats, geht in Reden und Artikeln auf Details der iranischen Verhandlungen und des Atomprogramms ein. 6 Aber auch hieraus ergibt sich keine Indizienkette, aus der ersichtlich wird, dass man in der Islamischen Republik bereits an der Entwicklung der Bombe arbeitet. Dies zeigen auch die IAEA-Berichte. Bis heute hat die Wiener Behörde Iran nicht vorhalten können, ein militärisches Atomprogramm zu betreiben. Fragen der IAEA, die Teheran nicht beantwortet, deuten auf mögliche militärische Planungen. Aber auch das muss noch lange nicht heißen, dass das Land die Bombe konstruiert oder ihre Entwicklung plant.
    Iranische Militärs wie etwa der langjährige Verteidigungsminister Admiral Ali Shamkani haben mir gegenüber beteuert, Iran baue keine Atomwaffen und wolle sie auch nicht. Schließlich sei die Herstellung der Bombe aus religiösen Gründen verboten. Diesen Hinweis habe ich immer als Totschlagargument empfunden. Denn bei genauerem Nachfragen würde ich die Befragten indirekt beschuldigen, nicht gläubig zu sein. Gleichzeitig ist das Lügen aber aus religiöser Sicht erlaubt, wenn damit eine Gefahr vom Islam abgewendet werden kann. Also ist - genau gesehen - der Hinweis auf das Verbot der Atomrüstung aus Glaubensgründen nicht wirklich entlastend.
    Aus iranischen Erklärungen lassen sich Schlussfolgerungen ziehen. Dabei ist eine Rede von Rohani aufschlussreich. Dieser Geistliche, der jahrelang mit der IAEA in Verhandlungen gestanden hat, erstattet am 30. September 2005 iranischen Spitzenpolitikern eine Art Rechenschaftsbericht mit höchst brisanten Details. Zwar werden die Ausführungen des Geistlichen in einer Zeitschrift wiedergegeben, deren Erscheinen letztlich allerdings verhindert. Doch der Wortlaut der Rede gelangt ins Internet. Aufgebrachte konservative Abgeordnete fordern nach der Veröffentlichung sogar, Rohani wegen Verrats vor Gericht zu stellen - vielleicht wegen folgender Aussage zur besonderen Bedeutung des atomaren Brennstoffkreislaufs: Ȇber ihn zu verfügen, gleicht ungefähr der Fähigkeit, atomare Waffen herzustellen, falls der politische Wille des Landes danach verlangt.«
    Genau diese Schwellenfähigkeit zum Bau der Bombe ist es, die Iran meiner Meinung nach anstrebt. Da ist es dann nicht mehr wesentlich, ob der Schritt auch vollzogen werden soll. Denn diese Entscheidung kann schnell gefällt werden.
    Rohani geht in seiner Rede auch auf die Entwicklung des Atomkonflikts ein: »In den letzten Jahren - ab 1999 - beschlossen wir, unsere Möglichkeiten besser zu nutzen und aktiver zu werden. Die Behörden, die sich mit den
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