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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror
Autoren: Ulrich Tilgner
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und Abendland vergrößert. Mit dem Einsatz moderner Militärtechnik lassen sich solche Diskrepanzen nicht beseitigen. Das Heer Alexanders des Großen und die römischen Legionen mussten dies genauso erfahren wie die Kreuzritter und die britischen Kolonialtruppen.
    Mit ihrem »Krieg gegen den Terror« haben die USA Kräfte gestärkt, die sie eigentlich aus dieser Welt verbannen wollten. Im Irak hat sich dies besonders deutlich gezeigt. Es sind keineswegs nur terroristische Zirkel, die sich von der Weltmacht angegriffen fühlen. Viele Gläubige in der Region argwöhnen, das eigentliche Ziel des Westens sei die Schwächung des Islam. So fällt es Osama bin Laden nicht sonderlich schwer, sich als gemäßigt und als Verteidiger der Religion gegen eine äußere Bedrohung zu gerieren. In großen Teilen der islamischen Welt wird ihm mittlerweile stille, wenn nicht gar unverhohlene Sympathie oder Bewunderung zuteil. Die USA haben sich mit ihrer Verlegung auf militärische Mittel im Kampf gegen den Terrorismus in eine Sackgasse manövriert und somit für eine Eskalation der ohnehin bereits brisanten Situation gesorgt. Das Scheitern westlicher Politik spielt dem Terrorismus in die Hände.
    Dabei sollten die Erfahrungen im Irak und in Afghanistan die Einsicht stärken, dass sich solche Konflikte auf militärischem Wege nicht lösen lassen. Damit wird die Atomkrise um Iran zur Nagelprobe, da sich eine diplomatische Lösung weiterhin nicht abzeichnet. Die USA sind entschlossen, den Aufbau des iranischen Atomprogramms im äußersten Fall mit Waffengewalt zu unterbinden, um Iran bereits im Vorfeld daran zu hindern, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Andererseits sieht die iranische Führung in der Entwicklung des Atomprogramms langfristig ein Mittel, das eigene System zu stärken. Ein Nachgeben gegenüber äußerem Druck würde in Teheran als Anfang vom Ende der eigenen Herrschaft empfunden.
    Der Streit um die Mohammed-Karikaturen und die Empörung vieler Moslems über die Äußerungen des Papstes zum Islam belegen anschaulich, wie angespannt die Lage heute ist. Gegenseitiges Misstrauen erschwert Kompromisse. Im Wiederaufbrechen alter Konfliktlinien zeigt sich, dass die wirtschaftliche Globalisierung Kräfte im Abend- und im Morgenland mobilisiert, die bereits als überwunden galten. So droht sich die Bekämpfung des Terrorismus, mit der die USA auf die Anschläge vom 11. September 2001 geantwortet haben, zu einem Krieg der Kulturen auszuweiten. Politiker beider Seiten sehen sich im Recht, und manche glauben gar, in göttlichem Auftrag zu handeln. Präsident Bush etwa beansprucht, im Rahmen einer »Berufung von jenseits der Sterne für die Freiheit einzustehen« 2 . Madeleine Albright, die seinerzeit als US-Außenministerin die Koalition gegen Saddam Hussein aufbauen half, wirft ihm vor, Moslems in aller Welt vor den Kopf gestoßen zu haben, indem er sich einer absolutistisch-christlichen Rhetorik bediente, um außenpolitische Themen zu erörtern. 3 Bush selbst fühlt sich gründlich missverstanden. Nach den Terrorakten des 11. September habe er zu heftige Worte gewählt. 4 Allerdings brauchte er fünf Jahre, um zu bedauern, dass es nicht richtig gewesen sei, dazu aufzurufen, Osama bin Laden »tot oder lebendig« zu fassen. Künftig werde er in der Wahl seiner Worte größere Umsicht walten lassen, gelobt er Besserung. 5
    Damit zeigt Präsident Bush nur, dass die US-Regierung ihre Fehler nicht einmal oberflächlich aufarbeitet. Statt sich über die falsche Begründung, mit der die USA und Großbritannien 2003 in den Irak einmarschiert sind, Gedanken zu machen und sich zu fragen, ob man einen solchen Krieg überhaupt hätte führen dürfen, wenn die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen gar nicht existierte, werden andere Argumente nachgeschoben. Eigentliche Absicht sei gewesen, die Freiheit in der Welt zu verbreiten. Denn ihr Fortbestand in den USA hänge zunehmend von dem Erfolg der Freiheit in anderen Ländern ab, erklärte der Präsident zwei Jahre nach dem Angriff auf Irak. Und da laut seiner Diktion die größte Hoffnung für Frieden auf der Verbreitung der Freiheit in der gesamten Welt beruht, hatte Bush auch keine Skrupel, den Angriffskrieg als probates Mittel einzusetzen. Angesichts eines solch messianischen Weltbildes rückt ein Ende der Auseinandersetzungen
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