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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror
Autoren: Ulrich Tilgner
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enthält sie keine wirklichen Anreize für den neuen Präsidenten, seine radikale Politik in der Atomfrage zu ändern, und europäische Diplomaten verhehlen nicht, dass es sich auch nur um einen Einstieg zu weiteren Verhandlungen handelt. Prompt wird das Angebot von den Iranern denn auch als ungenügend abgelehnt.
    Die europäische Diplomatie wird eine Einigung mit Iran nicht mehr aus eigener Kraft schaffen. Irans Reformer trifft es noch schlimmer. Sie stehen vor einem politischen Scherbenhaufen. So bildet die Wahlschlappe denn auch den Endpunkt eines kontinuierlichen Niedergangs. Mohammad Khatami, der sein Amt 1997 als Hoffnungsträger angetreten hat, gilt unter Studenten in den letzten Tagen seiner Amtszeit nur noch als Symbol für das Scheitern der Reformbewegung.

Das Scheitern der Reformbewegung
    Im Juni 2003 fordern Studenten auf Demonstrationen erstmals den Rücktritt Khatamis. Dabei hatten Schüler und Studenten mit ihrem Einsatz dem Geistlichen zum Überraschungssieg bei der Präsidentschaftswahl 1997 verholfen. Doch Khatami kann in den Jahren seiner Regierung seine angekündigten Vorhaben nicht verwirklichen. Kritische Journalisten werden bis heute verhaftet, Zeitungen weiter verboten, und das Demonstrationsrecht ist praktisch abgeschafft. In unzähligen Reden erneuert Khatami in den ersten Jahren seiner Amtszeit immer wieder seine Reformversprechen. Aber trotz einer ihn stützenden Mehrheit im Parlament kann die Regierung die Bürgerrechte nicht erweitern. Die Konservativen nutzen den von ihnen kontrollierten »Wächterrat« mit seinen verfassungsgerichtsähnlichen Kompetenzen, um vom Parlament verabschiedete Gesetze zurückzuweisen. Und da die demokratischen Rechte nur wenig entwickelt sind, läuft jeder, der die Herrschenden herausfordert, Gefahr, inhaftiert und verurteilt zu werden.
    In den ersten zwei Jahren nach der Wahl Khatamis glauben die Menschen noch an eine behutsame Demokratisierung ihres Landes, doch der 9. Juli 1999 markiert einen Wendepunkt in der innenpolitischen Auseinandersetzung. Am Abend dieses Tages stürmen von Gegnern der Reformregierung organisierte Schlägertrupps zusammen mit Polizisten ein Studentenwohnheim in Teheran. Ein Student wird erschlagen, Dutzende werden schwer misshandelt. Tagelang demonstrieren die Studenten, aber ihre Proteste bleiben ohne Wirkung. Die Rädelsführer des Überfalls auf das Studentenwohnheim werden nicht einmal bestraft. Es sind die Demonstranten, die verhaftet und abgeurteilt werden. Präsident Khatami ergreift nur indirekt Partei für die Studenten und zieht sich deren Zorn zu, weil er von den Betroffenen fordert, sich an die Gesetze des Landes zu halten. Seine Anhänger vertröstet er auf langfristige Änderungen, die er wie immer als Ergebnis seiner Reformpolitik in Aussicht stellt. Viele Studenten sehen darin nur noch leere Versprechen, da die Schließung von Zeitungen, die Verhaftung von Journalisten und die Verurteilung von Oppositionellen fortgesetzt werden.
    Der 9. Juli bleibt ein symbolträchtiges Datum. Doch in den Folgejahren schwindet die Beteiligung an den Kundgebungen zu den Gedenktagen. 2003 scheitert der bisher letzte Versuch, mittels öffentlicher Proteste eine Änderung der politischen Atmosphäre herbeizuführen. Bereits vier Wochen vor dem Jahrestag demonstrieren die Studenten an verschiedenen Universitäten. Ihre Aktionen werden vor allem durch Sendungen der in Los Angeles stationierten persischen Fernsehstationen unterstützt und bekannt gemacht. Für iranische Exilgruppen bieten die Proteste in Teheran eine Möglichkeit, sich in die innere Auseinandersetzung einzumischen. Auch die US-Regierung versucht auf diese Weise indirekt die Entwicklungen im Iran zu beeinflussen und unterstützt seit Jahren finanziell Rundfunkund Fernsehstationen, die von Exiliranern betrieben werden.
    Damit wird den Sendern ein Teil ihrer Wirkung genommen, da viele Iraner sie für ferngesteuert halten.
    Auch die aufmunternden Bemerkungen, die der US-Präsident im Juli 2003 an die Demonstranten richtet, in denen vom Beginn eines »freien Iran« die Rede ist 21 , einigen eher deren Gegner in ihrer Ablehnung äußerer Einmischung, als dass sie den Oppositionellen den Rücken stärken. Demonstranten werden sehr schnell zur »fünften Kolonne« des Feindes oder schlicht zu »Söldnern unserer Feinde« abgestempelt. Leitartikler der konservativen
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