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Zwillinge der Finsternis

Zwillinge der Finsternis

Titel: Zwillinge der Finsternis
Autoren: Marco Sonnleitner
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könnte Ihnen zur Last –«
    In diesem Moment erlosch Barnabys Taschenlampe. »Oh Gott, wir werden alle hier drin sterben!«, wimmerte er und deutete vielsagend auf das Skelett. »Hier geht’s nicht raus! Für niemanden!«
    »Beruhige dich, Barny, wir schaffen das schon«, sprach Jeremy seinem Bruder Trost zu, während er eine weitere Schublade des Schrankes aufzog. »Wir müssen einfach weitermachen.« Er nahm eine Akte heraus und schlug sie auf. »Wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Das sind wir Evenezer schuldig. Wir müssen –« Abrupt hielt er inne. »Mein Gott!« Er starrte auf die Papiere in der vergilbten Mappe.
    »Was ist?«, fragte Justus.
    »Hier! Du meine Güte! Das darf doch nicht ... Unser Urgroßvater hat –«
    Ein dumpfes Poltern und Rauschen schnitt Jeremy das Wort ab. Bob konnte noch einen kurzen Schrei ausstoßen, dann begrub ihn eine Erdlawine unter sich, die von der Decke auf ihn herabstürzte.

Die drei Geister
    »Und Sie wollen tatsächlich den Lesesaal nach mir benennen?« Arthur Sinclair folgte dem gut gekleideten, schwarzhaarigen Mann mit den grauen Schläfen, der sich ihm als Mr Costa von der Stadtverwaltung vorgestellt hatte, in den neuen Lesesaal der städtischen Bibliothek von Rocky Beach.
    Sie betraten eine fensterlose, hohe Halle, die bis zur Decke vollgestopft war mit abertausenden von Büchern, die in massiven Holzregalen standen. Auf dem dunklen Parkettboden fanden sich in der Mitte des Saales etwa ein Dutzend großer Tische, auf denen grüne Leselampen ein wohliges Licht verbreiteten. Und an den wenigen freien Wandflächen hingen die Bilder von Männern und Frauen, die die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika entscheidend geprägt hatten. Gegenüber von den beiden Männern, die im Moment allein in dem Saal waren, führte eine kleine Tür in das angrenzende Archiv, die einen kleinen Spalt weit offen stand.
    »Wir haben«, antwortete Costa leutselig, »darüber in der letzten Stadtratssitzung so entschieden. Wir sind alle der Meinung gewesen, dass Sie, Mr Sinclair, als vielleicht zukünftiger Gouverneur eine herausragende Stellung in unserer Gemeinde einnehmen, und es wäre uns eine Ehre, diesen Saal hier nach Ihnen benennen zu dürfen.«
    »Na ja, ganz so weit sind wir ja noch nicht«, wiegelte Sinclair ab und lächelte gönnerhaft. »Aber ich werde mein Bestes tun, um diesen Erwartungen zu entsprechen.«
    »Es müsste ja schon mit dem Teufel zugehen, wenn es anders käme«, antwortete Costa und blinzelte verschwörerisch.
    Sinclair, der bei dem Wort Teufel kurz zusammengezuckt war, wechselte schnell das Thema und fragte: »Und Sie haben mich heute hierher gerufen, um die Zeremonie der Namensgebung, die am Sonntag stattfinden soll, mit mir durchzusprechen? Habe ich das am Telefon richtig verstanden?«
    »So ist es«, bestätigte der Beamte. »Deswegen haben wir heute Nachmittag den Saal auch geschlossen, damit wir uns ungestört unterhalten können. Also, können wir anfangen?«
    »Sicher«, erwiderte Sinclair.
    »Gut, dann kann’s losgehen«, rief Costa und vielleicht etwas lauter, als es hätte sein müssen.
    In der nächsten Sekunde verloschen mit einem Schlag alle Lichter im Raum, und da der Saal keine Fenster hatte, war es sofort stockfinster.
    »W-was ist passiert?«, fragte Sinclair erschrocken und drehte sich einmal um die eigene Achse.
    Keine Antwort.
    »Mr Costa? Hallo?«
    Nichts rührte sich. Nur ein leiser Lufthauch wehte durch den Saal.
    »Hallo?«, rief Sinclair in die Dunkelheit hinein. »Was soll das? Was geht hier vor?«
    Wieder blieb alles ruhig. Aber urplötzlich, von einer Sekunde auf die andere, schwebten in der pechschwarzen Finsternis die Oberkörper dreier Wesen, die gruseliger nicht hätten sein können! Von einem unwirklichen Licht in ein fahles Leuchten getaucht, starrten den völlig schockierten Mann die grünlich bleichen, halb verwesten Gesichter von drei Gestalten an, die in ihren früheren Leben vielleicht einmal Jugendliche gewesen sein mochten. Jetzt allerdings waren sie nur noch die untoten Wiedergänger ruheloser Seelen, die Sinclair aus leblosen Augen anklagend entgegenstierten.
    Dem Mann stockte das Blut. Stumm vor Entsetzen gaffte er die Schreckgestalten an, während sein Herz zu rasen begann.
    Und dann sprach einer der Untoten.
    »War er das?«, fragte eine körperlose Stimme.
    »Er war’s«, bekräftigte das andere Wesen.
    »Ganz sicher«, meinte auch der Dritte im Bunde.
    Sinclair versteinerte. Sein Herz krampfte sich zusammen.
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