Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
Pfirsichgeländer hinaus, weil es mich sonst unmittelbar zu dem Häuschen geführt hätte, in dem Rikar war, und wollte quer durch die Gemüse und Blumen gehend, zu der Steinmauer gelangen, um ein Stük auf dem Rasen hinauszugehen. Als ich unter den Blumen und etwas freier war, sah ich in der Ferne des Gartens die Mutter und Maria dem Hause zugehen. Die Mutter hatte Maria an der Hand, und so gingen sie gegen das Haus. Ich erreichte die lose Steinmauer, und weil an dieser Stelle kein Pförtlein war, so kletterte ich über dieselbe hinüber, gelangte in die offeneren Gründe, und ging von ihnen in die völlig leere Haide hinaus.
    Ich ging an dem Gesteine dahin, und als eine geraume Zeit verflossen war, wendete ich mich wieder gegen das Haus.
    Da ich dort anlangte, war Alles entschieden: sie hat ihn ausgeschlagen. Rikar, der mir auf dem Gange begegnete, sagte es mir selber. Die Mutter hat sie in dem Garten gesucht, hat sie in das Arbeitszimmer geführt, und dort mit ihr geredet. Nach Kurzem sind sie wieder heraus gekommen, Maria hatte sich entschlossen und Alles abgelehnt.
    Ich ging auf meine Zimmer, und dachte über diese Begebenheit nach.
    In einer Weile kam Alfred herauf. Er war sehr freundlich, er war sehr ruhig, aber auch sehr ernst. Er sagte, nachdem er sich zu mir gesezt hatte: »Sie werden wohl schon Alles wissen. Ich habe zuerst um die Einwilligung der Eltern nachgesucht, und hätte dann das Mädchen um ihr Jawort gebeten. Bei dieser Familie wäre es unwürdig gewesen, hinter dem Rüken zu werben. Ich war Anfangs der Meinung, man solle es Maria nicht gleich sagen, sondern sie darauf vorbereiten; aber die Mutter machte dagegen gelten, daß man keine Zeit vor ihr ein Geheimniß haben könne, da von ihr allein die Entscheidung abhänge, und die Sache ihr Eigenthum sei. Das sah ich ein und willigte in alsogleiche Kundgebung. Die Würfel sind gegen meine Wünsche gefallen. Aber wie es auch sei, ich werde diese Familie immer lieben und ehren. Es ist Alles in größter Freundschaft und Ordnung vorgefallen, und das Haus, das mir so lieb und theuer geworden ist, wird auch in Zukunft meine Freude und meine Erholung sein.«
    Nach diesen Worten redete er von meiner Reise, fragte, wohin sie jezt unmittelbar gerichtet sei, was ich dann vorhabe, wie lange sie dauern werde, und ob ich dann zu Hause zu bleiben gesonnen sei. Er bat mich auch, ihn vor meiner Abreise noch einmal zu besuchen, und ihm vielleicht auch von irgend woher einen Brief zu senden. Ich versprach Beides.
    Alfred blieb bei dem Mittagsessen. Die Gespräche waren herzlich und gut, ja es schien mir, als sei man noch zarter und gemüthsreicher als sonst.
    Eine Zeit nach dem Essen nahm Alfred Abschied. Er war zu Fuße herauf gekommen, und wollte auch zu Fuße wieder hinab gehen. Als man sich unter dem großen Thore trennte, sagte er: »Wenn ich wieder komme, werde ich die Aurikelsamen und einen Theil der neuen Zwiebel mitbringen.«
    Als ich am Nachmittage durch das Kastanienwäldchen ging, und gegen ein Gebüsch bog, das ziemlich dicht war, sah ich Maria vor demselben stehen und in die Zweige hinein schauen. Sie hatte die Hände in einander geschlagen und hielt sie gesenkt so vor sich hin. Das Gebüsch bestand aus wilden Rosen und Flieder, es war ziemlich weit von dem Hause entfernt, hatte für den Gartengebrauch keinen Werth, und war von uns sonst nicht beachtet und besucht worden.
    Als ich sie so stehen sah, ging ich näher. Da sie meine Tritte vernahm, lös'te sie die Hände auseinander, und ließ sie so zufällig und lose von ihrem Körper hängen. Ich aber ging völlig hinzu, sah ihr in das Angesicht, und blieb ein Weilchen stehen. Dann faßte ich eine ihrer Hände, hob sie empor und sagte: »Maria, ich kenne Sie, ich kenne Sie sehr genau!«
    Sie drükte mir die Hand, mit der ich die ihre hielt, und sagte: »Sie sind ein edler, Sie sind ein guter und vortrefflicher Mensch.«
    Mehr konnte sie nicht sagen. Aus ihren ehrlichen Augen brach ein Strom von Thränen, und ihre kräftigen Lippen zukten vor Schmerz. Sie nahm das Taschentuch, das sie in ihren Kleidern verborgen gehalten hatte, hervor, drükte dasselbe an die Augen, und weinte heftig und lange. Ich blieb schweigend bei ihr stehen, und hielt nur ihre Hand, die sie mir gerne ließ.
    Endlich ermannte sie sich doch. Sie drükte mit dem Tuche mehrere Male gegen die Augen, um sie zu troknen, und sagte: »Er weiß gewiß Alles, o gewiß - gewiß - er weiß Alles. Sie hätte den Schmerz nicht ertragen können, ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher