Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
Neigung zu Alfred im Herzen. Die Zeichen waren leise, ihr selber vielleicht unbewußt, aber ich glaubte sie doch deutlich zu erkennen.
    Wenn er da war, sprach sie viel weniger, als sonst. Sie saß da und horchte aufmerksam zu, wenn er erzählte. Wenn wir spazieren gingen, wandelte sie sanft gesenkten Hauptes meistens vor ihm, und achtete der Worte, die von seinen Lippen kamen. Wenn er abwesend war, sprach sie am liebsten von den Ländern, in denen er gewesen, und von denen er eben zurükgekehrt war. Ich habe sie allein in dem Garten lustwandeln gesehen, ihre Wangen waren zart gefärbt, in den Mienen war etwas Gehobenes, und die schönen Augen, in welchen ohnedern eine solche Schwermuth lag, waren gegen die Ferne gerichtet, so daß es aussah, als befände sich dort etwas, oder als suchte sie dort etwas. Oder sie stand auch zuweilen an dem Springbrunnen, dessen Strahl Maria so gerne im Gange erhielt, und woran sie sich ergözte, und sah auf das Silber der emporsteigenden Säule, und sah viel länger darauf hin, als es die bloße Betrachtung dieses Dinges erforderte. Sie spielte vor dem Schlafengehen oder am Morgen nach dem Aufstehen wieder gerne auf ihrer Violine.
    Die Töne waren sanft und sehnsuchtsvoll, als fragten sie oder suchten sie nach irgend einem Dinge, sie waren nicht entzüken- und jubelerfüllt, aber sie waren auch nicht so traurig, wie in der ersten Nacht, als sprächen sie von einem schmerzlichen Glüke, das zerflatternd und vergehend nirgends zu ergreifen sei.
    In dem gewöhnlichen Verkehre mit uns und andern Menschen war sie nicht anders, als sie bisher immer gewesen war, nämlich gütig und einfach gegen Jedermann, und bestrebt, Jedem eine Freude zu machen. Wenn sie mit Alfred sprach, so waren ihre Worte nicht bedeutender, als wenn sie mit Andern sprach, nur waren sie immer kurz und der Sache angemessen.
    Ihr Antliz trug das Durchscheinen eines Erhabenen oder eines, das mit dem Gewöhnlichen, das die Zeit und das Leben bringt, nichts zu thun hat.
    Diese Merkmale hatte ich nach und nach beobachtet, ohne daß ich eben darauf ausging.
    So wandelte sie unter uns dahin, und ließ den Tag kommen, wie er kam, und ließ den Tag gehen, wie er ging.
    So standen die Sachen, als die Zeit, die ich noch zugegeben hatte, ohne dem Ganzen meiner Reise gar zu viel abzubrechen, beinahe verstrichen war. Da geschah es eines Tages, daß Alfred nicht in seinen gewöhnlichen Kleidern, sondern in einem schwarzen Anzuge zu Rikar herauf kam. Ich hatte ihn durch den Garten herein gehen gesehen. Er war Anfangs eine Weile bei dem Vater gewesen, dann ging er über den Gang zu der Mutter. Als ich von meinen Zimmern in das Freie hinab ging, hieß es, er habe um Maria geworben.
    Ich stand da, und fragte den Gärtner, aber der wußte nicht, von wem er es gehört habe, jedoch gewiß sei es ganz und gar. Ich fragte noch Andere, die sagten, es sei schon gewiß, wenn man auch nicht wisse, woher; es sei schon gewiß, und könne nicht anders sein.
    In diesem Augenblike, da ich mir nicht getraute, in das Haus hinein zu gehen, um Niemanden ungelegen zu sein, kam die Mutter in geschäftigem Eifer heraus, und da sie mich erblikte, ging sie auf mich zu und sagte: »Er hat um Maria geworben. Wir wissen nicht, wo Maria ist, vermuthlich ist sie in dem äußeren Garten mit irgend etwas Angelegentlichem beschäftigt.«
    Nach diesen Worten verließ sie mich, und ging in die Tiefe des Gartens zurük.
    Ich wußte eigentlich nicht, wie mir bei dieser Nachricht geschah, aber daß ich jezt Niemanden begegnen müsse, daß ich nicht in das Haus gehen müsse, und daß ich mit keinem Mitgliede der Familie reden müsse, das schien mir deutlich zu sein. Ich ging daher in einen abgelegenen Theil des Gartens, den wir gewöhnlich nicht viel besuchten, und ich ging noch dazu auf Wegen, die weniger betreten waren, als die andern, weil sie zwischen dichten Pfirsichgeländern lagen, und selbst in trokenen Zeiten ein wenig feucht waren; allein wie ich so zwischen den Pfirsichgeländern wandelte, sah ich außerhalb derselben dicht neben mir meinen Freund Rikar bei mir vorbei und in ein hölzernes Häuschen hinein gehen, das in dieser Gegend stand, um Früchte, Sämereien, Gemüse und andere Dinge, die man nicht gleich in das Haus bringen wollte, gelegentlich aufzubewahren. Als er in die Thür des Häuschens trat, drükte er seine Hände in einander und sagte: »Ich habe es ja gewußt, ach, ich habe es ja gewußt!«
    Ich brach bei einer Lüke, die sich mir darbot, aus dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher