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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern
Autoren: Adalbert Stifter
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blühenderen Zustand. Er wurde bekannt, man suchte ihn, knüpfte Verbindungen mit ihm an, und durch glükliche Unternehmungen brachte er nicht blos Wohlstand, sondern man konnte sagen Reichthum in sein Geschäft.
    Als ich ihn einmal während des Tages fragte, ob es ihn denn nicht sehr freue, wenn er sein blankes Haus zwischen den holden Gebüschen betrachte, und durch das Gedeihen und Emporblühen aller der Dinge um ihn dahin gehe, antwortete er: »Es ist sonderbar, wie die Abstufung der Dinge, unter denen wir leben, auf den Menschen wirkt. Wie fremd sind uns die Minerale, wie hart seltsam abentheuerlich sind uns ihre Farben - das giftige Grün, das Blau, das Braun, das Grau, das heftige Gelb, zum Beispiele am Schwefel - wie unbekannt ist uns ihr Entstehen in dem dunkeln Schoße der Erde, wo sie in einander verwachsen und wunderlich gebildet ruhen und lauschen. Wie näher sind uns schon die Pflanzen, sie sind unsere Gesellschaft über der Erde, der sie wohl noch mit der Wurzel angehören, von der sie aber doch mit ihrem edleren Theile, mit der Krone und mit der Blüthe, wegstreben; ihre Nahrung und ihr Wachsen ist wie das unsrige, sie nehmen die irdischen Stoffe in ihre feinen Organe und verwandeln sie in ihr Wesen, und wenn wir gleichwohl nicht begreifen, wie das geschieht, so ist es für unsere Liebe schon genug, daß sie uns hierin verwandt sind; und wie hold sprechen uns ihre Farben gegen die der Minerale an, selbst ihre heftigsten Roth und Gelb und Blau; und wie sanft ist das allgemeine Kleid, das sie anthun, das Grün. So zugeartet ist uns dasselbe, daß wir dort, wo wir Abweichendes erbliken, wie an jenen rostbraunen oder blutig rothen Blättern mancher fremder Bäume, eine Art Schauer empfinden. Noch näher sind uns die Thiere, wenigstens die außer der Erde lebenden und vollkommneren. Nur mehr ein kleiner Theil, und die am tiefsten stehenden, lebt in der Erde, die andern sind mit uns in der Luft und der Sonne. Sie sind die Spiegelbilder von uns, die abgeblaßten. Sie zeigen uns unsere Affekte, unser Leiden, unsere Freuden, die Hingabe an innere Triebe, die verstümmelte Natursprache und ein dumpfes Dämmern von Vernunft und höherer Ahnung. Daher lieben wir sie schon zuweilen, weil sie uns wie die Knospe von uns selbst erscheinen, weil sie uns in ihrer Hülflosigkeit wie zurükgesezte Menschen vorkommen, die nur nicht genug an Geist und Kraft erhalten haben, um sich empor zu schwingen und eine stättige Vervollkommnung einzuleiten. Das Nächste aber ist für den Menschen doch immer wieder der Mensch, der ihm sein eigenes Herz, sein Ahnen und sein Hoffen entgegen trägt. Das weiß man in großen Städten nicht, wo sich das Geschlecht an einander drängt, und seine Widrigkeiten zeigt. Freilich ist die Natur im Ganzen, wozu indeß der Mensch auch als Glied gehört, das Höchste. Sie ist das Kleid Gottes, den wir anders als in ihr nicht zu sehen vermögen, sie ist die Sprache, wodurch er einzig zu uns spricht, sie ist der Ausdruk der Majestät und der Ordnung: aber sie geht in ihren großen eigenen Gesezen fort, die uns in tiefen Fernen liegen, sie nimmt keine Rüksicht, sie steigt nicht zu uns herab, um unsere Schwächen zu theilen, und wir können nur stehen und bewundern.« - -
    Auch von Rikar erzählte mir Alfred einiges. Er achtet ihn sehr hoch, weil er, wie er sagt, in seiner Einfachheit so tief ist. Er hat außer den zwei Mädchen auch einen Sohn gehabt, von dem er aber nie eine Erwähnung gethan hatte. Als der Jüngling sein zwanzigstes Jahr begann, wurde er ihm durch eine schwere Krankheit, die ihn in der Fremde befiel, und in der ihn Rikar, der zu ihm geeilt war, pflegte, entrissen. Er mußte einen großen Schmerz empfunden haben, er sagte nichts davon, aber er trug das schwarze Kleid seit jenem Tage, und trägt es heute noch.
    Als wir unser Mittagmahl unter den Kastanien verzehrt hatten, begleitete mich Alfred auf einem großen Umwege durch das Gebirg, welchen Umweg er mich geführt hatte, damit ich auch diese Theile der Gebirge kennen lernte. Als die Sonne sich schon gegen Untergang neigte, als wir auf dem Kamme der Gebirge standen, zeigte er mir die Richtung, nach welcher ich in Rikar's Haus gelangen würde, und wir trennten uns. Er ging thalwärts, ich aber wandelte auf der Schneide so mancher Gesteine dahin, bis ich spät in der Besizung meines Gastfreundes ankam.
    In den nächsten Tagen, die ich noch in dem Hause zubrachte, glaubte ich eine sonderbare Bemerkung zu machen. Camilla trug eine
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