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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern
Autoren: Adalbert Stifter
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sie nöthig sein, und alle werden sie, eine auf die andere, folgen.«
    In dem an das Aehrenzimmer stoßenden Saale, der eigentlich mehr ein langer Gang war, dessen blumenverzierte Fenster gegen den Garten gingen, war eine seltsame launige Sammlung, gleichsam ein friedlicher Waffensaal der Erde. Es waren da nämlich alle Werkzeuge des Landbaues aufgestellt, nach der Art wie sie gebraucht werden und dienen: die zum Felde, zur Wiese, zum Garten, zum Walde, zum Weinberge, zum Hause gehörigen. Welche zu groß gewesen waren, als daß man sie hätte herein stellen können, die waren in einer Verkleinerung zugegen. Ich bin selber ein Landwirth, kannte sie fast alle, und war doch überrascht über die Menge und Mannigfaltigkeit derselben. Sie waren geschikt längs der Wand des Ganges aufgestellt.
    Das Mittagsmahl wurde auf einem Hügelchen unter freien luftigen Kastanien eingenommen. Dann gingen wir noch eine Streke in der Thalschlucht spazieren, und sahen wunderliche Felsen, Wasserfälle, Steinlager und kühle Grotten - und als beinahe schon das Abendgold auf diesen sonderbaren Bergen glänzte, dachten wir erst auf die Rükreise.
    Alfred's Leute waren sehr artig und aufmerksam gegen uns gewesen. Er selber begleitete uns auf seinem braunen Pferdchen, als wir auf unsern Maulthieren den Saumpfad wieder hinan ritten, als die grauen Steine um uns waren, und als wir auf dem troknen Grasboden lange weit hinzielende Schatten warfen. Da er umkehrte, lud er mich ein, nächstens allein zu ihm hinab zu kommen, damit er mir Alles im Einzelnen und nach landwirthschaftlichen Grundsäzen, die mir lieb sein würden, erkläre. Ich nahm die Einladung an.
    Er ritt mit seinem Pferdchen, das sehr geschikt in den Steinen kletterte, hinunter, und wir strebten immer mehr auf die steinige und auf die einsame Anhöhe empor. Als es Abend und immer finsterer wurde, und ich deßhalb eine Besorgniß äußerte, beschwichtigte mich Maria, indem sie sagte, daß, wenn es sogar ganz finster wäre, und man keine Handbreite vor den Augen sähe, wir nur getrost die Zügel auf den Hals der Maulthiere legen dürften; diese Thiere würden nicht stolpern, und würden uns sicher auf das Haidehaus bringen.
    So geschah es auch; wir langten in dichter Finsterniß auf demselben an.
    Schon nach ein Paar Tagen ging ich allein zu Alfred hinunter.
    Er empfing mich sehr freundlich, und wir verbrachten den Tag, indem er mir Alles, was er hatte, zeigte, und wir es nach den Grundsäzen, die wir Jeder aus Büchern und aus Erfahrungen gesammelt hatten, durchgingen. Wir näherten uns einander sehr, ich fand seine Sachen vortrefflich, und wir tauschten manche Bemerkungen aus. Die Nacht brachte ich ebenfalls bei ihm zu, wie ich es schon meinen Gastfreunden vorausgesagt hatte, und eben so einen Theil des folgenden Tages.
    Er erzählte mir mehrere Dinge und auch Manches aus seinem Leben.
    Er hatte als Kind in einer sehr drükenden Lage gelebt. Sein Vater, der ihn und die Mutter durch ein kleines Geschäft ernährte, starb frühzeitig und hinterließ nur ein sehr mäßiges Vermögen, das allerlei Gläubiger, Curatoren und Vormünder theils in Anspruch nahmen, theils verschleppten. Die Mutter muß eine außerordentliche Frau gewesen sein. Sie prägte dem Knaben früh ein, daß man sich nicht auf andere Leute verlassen dürfe, daß diese meistens hart und jedes Gefühl verlezend seien, wenn sie helfen - deßhalb lebten sie und der Knabe in der äußersten Versagung und Strenge, und deßhalb führte er es auch so fort, als sie gestorben war, und er in den Studien lebte. Er erwarb sich das Wenige, was er brauchte, selbst, und kam nie zu einem Andern um Hülfe. Der vorige Besizer des Anwesens, welches nun Alfred's Eigenthum war, war ihm nur verschwägert gewesen, hatte sich nie um ihn bekümmert, hatte das Anwesen vernachlässigt, und hatte es ihm nur als Erbe hinterlassen, weil er doch der einzige Anverwandte gewesen war. Alfred hatte genugsam erfahren, wie sehr man der Sklave Anderer sei, wenn man nicht genug Mittel habe, selbstständig zu sein, und wie sehr man doch abhänge, wenn man sich auch noch so eifrig bestrebe. Darum fing er mit der glühenden Freiheitsliebe, die ihm eigen war, an, seine herabgekommene Besizung zu verbessern. Er las aus Büchern, er fragte um Rath, er sah gute Wirthschaften an, er machte selber Pläne und Entwürfe, und da er für sich wenig brauchte, wandte er alles Erworbene wieder der Sache selber zu. So brachte er nach und nach sein ererbtes Anwesen in immer
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