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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman
Autoren: C.H.Beck
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sich Zeit gelassen, als müsste sie das Glück verdauen. Die Leichtigkeit des Abends hatte sie genauso verblüfft wie mich. Ich weiß nicht, warum, aber wir erschraken beide ein wenig darüber. Das ist eben eines der vielen Paradoxa des Glücks und der Beweis dafür, dass ein Hauch von passiver Neurasthenie ganz menschlich ist. Die vergangenen Jahre über hatten wir uns beide keinen großen Gefahren ausgesetzt. Unsere Herzen hatten hübsch artig im Takt geschlagen. Mir war noch nicht so ganz klar, wie das von Pauline tickte, und ihr war ebenso wenig klar, wie das meine tickte. Mir fehlten noch die richtigen Instinkte. Ich musste erst überlegen, bevor ich ihr eine neue SMS schickte. Wieder spürte ich eine enorme Verunsicherung. Es dauerte ein paar Tage, bis wir uns wiedersahen, und wie sich zeigen sollte, gab es überhaupt nichts zu besprechen. Wir blieben das ganze Wochenende bei ihr zu Hause, wo wir ausgiebig Sex hatten. Die sinnlichen Freuden nahmen uns unsere Angst. In ihnen waren wir einfach und frei. Ich erlebte die Liebe vollkommen neu.
    Von Anfang an nahmen wir die Geschichte sehr ernst. Schon bald begannen wir, Pläne für die Zukunft zu schmieden. Pauline sagte: «Ich kann es kaum erwarten, deine Kinder kennenzulernen.» Ich wollte ihr Alice vorstellen, aber Alice hatte keine Zeit. Sie erfand allerlei Ausreden, um Pauline nicht treffen zu müssen, und ich glaube, sie wollte, dass es mir nicht besser erging, als es ihr ergangen war. Ich spürte, es war nicht böse gemeint. Sie schien auch etwas verwirrt, weil ich mich so schnell in ein neues Abenteuer stürzte. Außerdem hatte ich sie eingeweiht, aber nichts zu Élise gesagt. Das brachte sie noch mehr in Verlegenheit. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich versuchte, unkompliziert zu sein, aber eine so lange Zeit hinter sich zu lassen, ist eben kompliziert. Mit Élise verstand ich mich gut. Wir telefonierten zwei- oder dreimal die Woche, ohne allerdings allzu persönlich zu werden. Wir redeten übers Hotel, ihre Arbeit, unsere Kinder, aber wir stellten uns keine Fragen, wie unser Leben ohne den anderen aussah. Einmal machte Pauline eine Bemerkung über die Verbindung, die zwischen Élise und mir immer noch bestand. Nicht dass sie eifersüchtig gewesen wäre, sie wusste, das mit Élise war vorbei, aber ihre Worte machten mir deutlich, dass ich mit der Vergangenheit noch nicht abgeschlossen hatte. Wie auch? Élise und ich hatten ein halbes Leben zusammen verbracht. Meine Liebe war erloschen, aber man konnte mein Verhältnis zu ihr nun auch nicht als rein freundschaftliches bezeichnen. Ich war ganz klar im Kopf, kein bisschen wankelmütig, aber da war etwas, was mich störte. Wieder öffnete mir ein Gespräch mitPauline die Augen. Sie hatte mir mitgeteilt, der Fotograf wolle sie wiedersehen.
    «Und was hast du gesagt?»
    «Ich hab nein gesagt, aber er lässt nicht locker.»
    «Weil er dich immer noch liebt.»
    «Kann sein. Ich glaube, er will vor allem über uns und über das Ende unserer Beziehung reden. Ich muss sagen, das überrascht mich.»
    «Wieso?»
    «Weil ich mir nicht gedacht hätte, dass ihn das so trifft und dass er so die Fassung verlieren würde.»
    «Dann solltest du ihn lieber nicht treffen …»
    «Ich bin am Überlegen …»
    Ich war genauso wenig eifersüchtig wie Pauline. Ich fürchtete nicht, dass sie zu ihm zurückkehren könnte, aber vielleicht hätte ich das fürchten sollen? Es erschien mir ganz normal, dass die verschiedenen Gefühlswelten sich irgendwo überschnitten. Jedes Herz hat so etwas wie eine Mixed Zone. Da entsteht manchmal Durcheinander; und das verursacht oft Schmerzen. Der letzte Akt ist meist der schwierigste. Das hatte ich soeben begriffen, als ich Pauline von ihrem Fotografen sprechen hörte.

10
    Intensität der Schmerzen: 1

Gemütslage: bestrebt, mit der Vergangenheit abzuschließen

11
    Ich erschien unangemeldet bei Élise. Ich war seit einigen Wochen nicht mehr in meinem ehemaligen Zuhause gewesen. Einen Moment lang blieb ich vor der Tür stehen, ließ mich von der Vergangenheit einholen. Wie oft hatte ich gedankenlos den Schlüssel aus der Tasche gezogen und war hineingegangen. Einen Schlüssel hatte ich jetzt nicht mehr. Wenn ich gleich klingeln würde, würde ich meinen neuen Status einweihen: den eines Besuchers. Ich hatte Élise nicht vorher Bescheid geben wollen. Es gibt Dinge, die kann man nicht
vorher
ankündigen, für die trifft man keine Verabredung. Erst jetzt, als ich vor der Tür stand,
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