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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman
Autoren: C.H.Beck
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ich mir vorstellen. Worüber habt ihr geredet?»
    «Über alles Mögliche. Über das Leben.»
    «Ich frage mich, was du ihm erzählt hast über uns und unsere Trennung.»
    «…»
    «…»
    «Weißt du, ich hab’s nicht eilig, einen anderen Mann zu finden», erklärte sie plötzlich.
    Spielte sie auf irgendetwas an? Nein, ich war mir sicher, dass Alice nichts verraten hatte. Aber vielleicht spürte sie es? Das konnte schon sein. Ich erinnerte mich an das, was sie im Krankenhaus gesagt hatte, als man mich zur Beobachtung dabehalten wollte. Sie hatte den Vorschlag gemacht, dem Arzt unter die Arme zu greifen. «Schließlich hat dich niemand so eingehend beobachtet wie ich …» Wie recht sie hatte. Ihr Blick erschien mir so durchdringend wie ein Lügendetektor. Sie konnte mir alles vom Gesicht ablesen, doch ich bemühte mich, das Buch gar nicht erst aufzuschlagen und nichts durchschimmern zu lassen.
    Nein. Sie hatte einfach nur irgendetwas gesagt, so musste ich das verstehen. Es war eine Manie von mir, überall Andeutungen herauszuhören. Aber meistens sagt man ja genau das, was man auch meint. Élise hatte es nicht eilig, einen anderen Mann kennenzulernen. Das war wahrscheinlich schlicht die Wahrheit. Sie wollte gar keinen anderen Mann.
    Sie sehnte sich einfach nur danach, frei zu sein. Unsere Beziehung zu beenden, darauf ruhte ihre Hoffnung auf Freiheit. Nicht die Hoffnung auf eine andere Beziehung. Wie schrecklich: Man trennt sich, um endlich frei zu sein. Eine Beziehung ist ein Gefängnis. Wie man es auch dreht und wendet. Die Beziehung verpflichtet, ein gemeinsames Leben zu führen. Der Ausdruck
gemeinsames Leben
besagt schon alles. Man lebt nur ein Leben statt zwei. Da kommt zwangsläufig irgendwann der Moment, wo es eng wird in dem halben Leben. Man droht zu ersticken, braucht frische Luft und fängt an, von der Freiheit zu träumen. Unsere Kinder, unsere gemeinsame Vergangenheit, all das hatte unser gemeinsames Leben ausgemacht, und nun hatten wir auf einmal getrennte Leben. Aber ich glaubte nicht daran, dass sich zwanzig Jahre so leicht abschütteln ließen. Élise war immer noch präsent in meinem Leben. Überall lauerten Erinnerungen an sie. Ich fand, was unserer Geschichte irgendwie fehlte, war ein Ende. Unsere Liebe war tot, doch ich konnte noch kein neues Kapitel meines Lebens aufschlagen, weil ich überall noch einen Hauch von Élise spürte.
    «Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du gekommen bist», bemerkte sie.
    «Ich hab viele meiner Probleme gelöst. Und mir geht’s jetzt viel besser.»
    «Ja, das merkt man. Du stehst jetzt gerade, wenn du stehst. Sieht gut aus, wenn du stehst.»
    «Oh … danke …»
    «Und weiter?»
    «Es gibt noch ein letztes Problem, das ich lösen muss.»
    «Welches?»
    «Unsere Trennung.»
    «Wie meinst du?»
    «Ich finde, unsere Trennung ist ein bisschen zu höflich abgelaufen.»
    «…»
    Endlich war es mir gelungen, meine Empfindungen in Worte zu fassen. Alles war ganz ohne Streit, so geräuschlos wie der Todeskampf einer Kerze vonstattengegangen. Um unsere Geschichte zu einem richtigen Ende zu bringen, musste irgendetwas zu Bruch gehen. Ich brauchte Gewalt. Der Bruch musste auch in materieller Form zum Ausdruck kommen. War das so schwer zu verstehen?
    «Wir müssen uns streiten.»
    «Was?»
    «Ja, mach mir Vorwürfe. Beschimpf mich. Reg dich über irgendwas an mir auf.»
    «Aber …»
    «Den Müll zum Beispiel.»
    «Was ist mit dem Müll?»
    «Ich hab nie den Müll rausgetragen. Das hat dich total genervt. Na ja, und jetzt ist der Moment gekommen, wo du mich mal so richtig anschreien kannst. Sag mir, dass es dich furchtbar aufregt, dass ich nie den Müll rausbringe.»
    «Ach, scheiß auf den Müll.»
    «Nein, das ist wichtig. Reg dich mal auf! Sag, dass ich ein nichtsnutziger Schwachkopf bin! Oder was weiß ich, erfinde irgendwas!»
    «Ich kann nicht …»
    «Ach, du verstehst wirklich überhaupt nichts. Du regst mich auf. Dann kümmere ich mich eben drum!»
    Ich stand auf, ging auf sie zu und gab ihr eine saftige Ohrfeige.
    «Du spinnst wohl! Du hast ja nicht mehr alle Tassen im Schrank!»
    Sie saß wie hypnotisiert da und hielt sich die Wange. Ich hatte richtig fest zugeschlagen. Zu fest vielleicht? Noch ein Augenblick verstrich, dann legte sie los:
    «Aha, das willst du also … hä … na gut, das kannst du haben. Ich werd dir sagen, was zwischen uns alles schiefgelaufen ist, ich kann dir deine ganzen Fehler aufzählen. Und ich kann dich auch anschreien, wenn
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