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Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Titel: Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Arme nimmt … Von der Sekunde an, seit der wir uns kennen, lebe ich nur, wenn er in meiner Nähe ist. Ich bin nicht frigid wie Ihre anderen Patientinnen, Doktor. Ich bin neun Jahre verheiratet und zittere immer noch, wenn er mich nur anfaßt.«
    »Sie sind nicht frigid, Ellen«, sagte Normann. »Aber Sie sind ebenso weit davon entfernt, eine richtige Frau zu sein, wie die anderen. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß Sie in Ihrer Entwicklung stehengeblieben sind. Sie haben einen Mann und ein Kind, Sie führen ein großes Haus, fühlen sich als Dame der Gesellschaft, wie man so schön sagt – aber in Wirklichkeit sind Sie nichts weiter als ein kleines Mädchen, das sich im Dunkeln fürchtet. Sie haben sich in Ihren Mann verliebt, weil Sie von ihm alles erwarteten, was Sie nie vorher bekommen konnten: Liebe, Sicherheit, Geborgenheit.«
    Ellen Diekenhorst knetete ihr Taschentuch zwischen den Händen. »Das erwartet doch jede Frau …«
    »Ihr Mann war zärtlich«, fuhr Normann fort, »das machte Sie blind. Selbst dann, als Sie den Verdacht schöpften, daß er nicht nur zu Ihnen zärtlich sein könnte, schlossen Sie die Augen. Sie flüchteten sich in eine Krankheit … Und Ihr Mann bot Ihnen Sicherheit. Als Sie feststellen mußten, daß er Sie wirklich betrog, da flüchteten Sie sich in die Vorstellung, letzten Endes liebe er doch nur Sie, seine Frau … Jetzt schließlich ist er dabei, Ihre letzte Bastion zu zertrümmern, Ihre Geborgenheit. Er bringt Ihnen seine Geliebte ins Haus … Was muß er eigentlich noch alles tun, damit Sie endlich begreifen, daß Ihre Liebe ein Trugbild ist, ein Phantom?«
    Sie sah ihn mit aufgerissenen Augen an, und sie tat ihm leid. Aber er sprach weiter. »Hörigkeit ist die Aufgabe des Ichs, die blinde Unterwerfung unter den Partner. Es gibt Menschen, die kann man aus ihrer Hörigkeit nur schwer oder gar nicht befreien. Sie, Ellen, gehören nicht dazu. Sie können sich ohne weiteres befreien, wenn Sie es nur wollen. Wenn Sie erkennen, daß Sie sich nur deshalb Ihrem Mann widerstandslos unterwerfen, weil Sie Angst davor haben, seine Hand loszulassen und ein paar Schritte allein zu tun … Lassen Sie die Hand los. Sie können allein gehen!«
    »Ich …«, flüsterte Ellen, »ich habe gehofft, daß Sie mir einen anderen Rat geben. Ich dachte, es gebe doch noch einen Weg, von vorn anzufangen. Wenn ich ihn vielleicht dazu brächte, das Mädchen …«
    »Nur noch außer Haus zu treffen, nicht wahr? So, wie die Dinge jetzt zwischen Ihnen und Ihrem Mann stehen, wären Sie dafür schon dankbar … Nein, Ellen, es gibt nur einen Weg, von vorn anzufangen. Für Sie ist das der Weg zu sich selber. Normalerweise legt den ein Mensch in seiner Kindheit zurück. Sie haben in Ihrer Kindheit nur die Angst, verlassen zu werden, kennengelernt – statt das Vertrauen in Ihre eigene Stärke, Ihre eigenen Fähigkeiten.«
    »Ich will es versuchen, Doktor«, sagte Ellen, als sie sich verabschiedete. Sie sagte es ohne rechtes Zutrauen.
    Der Arzt trat ans Fenster und sah, wie Ellen Diekenhorst unten aus dem Haus kam, über die Straße ging und in ihren Ferrari stieg. In das Traumauto, in dem doch eigentlich nur die Glücklichen sitzen, die Schönen, die Reichen, die von der Sonnenseite des Lebens.
    Nach der Visite in der Klinik blieb die Schwester noch in Viktor Riffarts Zimmer.
    »Haben Sie diesen Dr. Richard Normann angerufen?« fragte Viktor. Er durfte seinen beim Verkehrsunfall verletzten Kopf noch nicht bewegen.
    »Ja.«
    »Und?« fragte er.
    »Er hat versprochen, daß er sofort losfährt«, antwortete die Schwester.
    »War er nicht überrascht?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich glaube kaum.«
    »Ich danke Ihnen, Schwester.«
    Von da an wartete Viktor. Regungslos lag er im Bett. Wer ist dieser Dr. Normann? fragte er sich immer wieder. Welche Rolle spielt er in meinem Leben? Wenn doch mein Gedächtnis wiederkäme! Die dumpfe Ahnung erfaßte ihn, daß er in ein paar Minuten seine Vergangenheit wiederhaben würde.
    Doktor Richard Normann … Ununterbrochen ging dieser Name in seinem Kopf herum. »Er behandelt mich«, hatte Laura gesagt, »nervöse Zustände, du weißt schon.«
    Nein, er wußte gar nichts. Oder doch?
    Warum grübelte er immer über diesen Psychiater nach?
    Heute früh hatte ihm der junge Assistenzarzt, der die Injektionen machte, so nebenbei erzählt: »Doktor Normann war übrigens bei Ihrer Operation dabei. Wohl ein Freund von Ihnen?«
    Weil sein Gehirn keine Antwort auf all diese Fragen
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