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Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Titel: Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ich habe mich gemein benommen, damals. Aber trotzdem – das war noch lange kein Grund für Laura, die Ehe zu brechen.
    Als habe der Psychiater Viktors Gedanken gelesen, sagte er jetzt: »Ihre Frau hat die Ehe niemals gebrochen. Es war nur Verwirrung und Hilflosigkeit, als sie sich vorübergehend zu mir flüchtete – obwohl Laura Sie, ihren Mann, noch liebte und immer geliebt hat bis heute. In Wirklichkeit hat nicht Laura versagt, sondern wir haben versagt. Sie, Herr Riffart, und ich. Sie haben Laura in einem Zustand der Labilität allein gelassen – und ich, ich habe den Tod jener anderen Frau nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Ich suchte eine Verlorene, jagte einem Phantom nach, verlor mich dabei selber. Und hätte beinahe eine Ehe, die ich glücklich machen sollte, zerstört.«
    Viktor starrte Dr. Normann an. Lange. Schweigend. Dann sagte er leise: »Und Sie meinen …«
    »Ich meine nicht, ich weiß!« unterbrach ihn Normann. »Sie sollten es ganz klar und deutlich sehen. Ich wollte Laura heiraten, ich habe ihr einen Antrag gemacht und ihr hart zugesetzt. Ich habe fest geglaubt, sie gehöre zu mir und nicht zu Ihnen. Aber Laura hat zu Ihnen gehalten. Es ist mir schwer gefallen, das nach und nach zu begreifen.«
    Erschöpft schloß Viktor Riffart die Augen. Es war eng und heiß in diesem Klinikzimmer. Leise sagte er: »Ich danke Ihnen, Herr Dr. Normann. Wir haben wohl alle Fehler gemacht und müssen sie wieder gutmachen. Ich freue mich auf Laura; wir werden glücklich sein. Und jetzt lassen Sie mich bitte allein!«
    Normann ging. Leise schloß er von draußen die Tür. Sinnend blieb er einen Moment stehen, lächelte. Das ist noch einmal gut gegangen, dachte er, obwohl er in diesem Fall ein Pfuscher gewesen war.
    In Dr. Normanns Praxis wartete ein Unbekannter. Schon seit einer Stunde. Normann nahm ihn gleich mit ins Sprechzimmer.
    Es war Werner Gerson. Er schob Normann ein Foto über den Schreibtisch. Das Bild einer jungen, gutgewachsenen Frau. Unbekleidet. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen, denn sie trug eine Maske – als schäme sie sich; als wolle sie nicht entlarvt werden.
    »Was soll das?« fragte Dr. Normann kühl. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Wie Sie sehen, das Standfoto einer attraktiven Stripteasetänzerin. Hübsche Beine, hübsche Brüste, eine Maske vor dem Gesicht. Die Dame ist Ihre Patientin, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete Dr. Normann ruhig. »Aber wer sind Sie, Herr Gerson?«
    »Sie werden lachen«, er sagte es wütend, »ich war gerade im Begriff, Fräulein Anderssen einen Heiratsantrag zu machen.«
    »Dazu kann ich Ihnen nur gratulieren«, meinte Normann.
    Werner Gerson verzog seine Unterlippe. »Schade, daß ich für Striptease nichts übrig habe. Wie man sich täuschen kann – ich hielt sie für ein anständiges Mädchen.«
    »Das ist sie auch!«
    »Ach nein«, spottete Gerson, »aus ihrer Firma ist sie 'rausgeschmissen worden, weil sie heimlich im ›Liebeskarussell‹ aufgetreten ist …« Er hörte mitten im Satz auf. Denn sonst hätte er sicher gesagt: »In meinen Augen ist so was eine Hure. Und ich bin unglücklicherweise schon mal mit einer Hure verheiratet gewesen.«
    »Herr Gerson«, Normann wählte seine Worte sorgfältig, »ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß Menschen manchmal an einen Punkt kommen, wo sie glauben, sie könnten dieses Leben nicht mehr aushalten. Sie sind fertig, und sie machen die verrücktesten Sachen.«
    Gerson schwieg trotzig.
    »So war es auch bei Helga. Bitte, stellen Sie sich vor: eine unglückliche Kindheit, Strenge, Prüderie. Ein böses Elternhaus. Der Vater betrügt die Mutter. Die Tochter, halberwachsen, sieht dabei einmal zu – und das ist ihre erste Begegnung mit dem andern Geschlecht. ›Die Männer sind alle Schweine‹, sagt die Mutter, ›Schweine! Hüte dich davor, laß dich nicht anrühren.‹«
    Gerson wollte etwas einwenden, aber der Doktor ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Wie ein Fluch bleibt das auf Helga liegen. Ein böser Fluch. Sie weicht den Männern aus. Sie hat Angst vor ihnen. Trotzdem erwacht in ihr wie in jeder Frau eine gewisse Sinnlichkeit. Da tanzt sie in ihrer Verzweiflung im ›Liebeskarussell‹. Der Tanz einer Jungfrau auf der Bühne.« Dr. Normann stand auf, verschränkte seine Arme auf dem Rücken. »Darüber darf man nicht lachen, und man darf nicht mit dem Finger auf so jemand zeigen. Helga war krank, zeitweise gelähmt, litt entsetzlich. Sie war sehr einsam. Verstehen Sie das, Herr Gerson? Können Sie das
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