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Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Titel: Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
Autoren: Heinz G. Konsalik
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manchmal zwölf Stunden am Tag saß er in diesem Sprechzimmer.
    Und jetzt?
    Langsam schob er die Fotografien wieder zusammen, legte sie in die Schublade zurück.
    Ich muß dieses fremde Mädchen, das mich an Marilyn erinnert, wiedersehen, dachte er, wählte die Nummer des Rathauses und ließ sich mit dem Kulturreferenten verbinden, der ein Schulfreund von ihm war.
    Die Verbindung kam schnell zustande.
    »Bitte, fall nicht in Ohnmacht«, sagte Normann. »Du mußt mir unbedingt für die ›Boheme‹-Aufführung am Freitag noch eine Karte besorgen.«
    »Mein Lieber, seit wann bist du denn musikalisch?«
    »Es ist sehr wichtig für mich. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
    »Na gut, ich versuch's – weil du es bist …«
    Inzwischen war es drei Uhr geworden. Die nächste Verabredung war fällig. Ausnahmsweise mit keiner kranken Seele, sondern mit einem Rechtsanwalt.
    Rechtsanwalt Viktor Riffart kannte zwar vom Gericht her eine Menge Psychiater, aber er war noch nie bei einem im Sprechzimmer gewesen. Im übrigen hatte er keine sehr hohe Meinung von diesen Seelendoktoren.
    Dieser Dr. Normann allerdings machte auf Riffart vom ersten Moment an einen außergewöhnlich guten Eindruck. Sein Sprechzimmer war kühl und modern möbliert. Für Firlefanz schien er nichts übrig zu haben. Und auch nichts für Umschweife.
    »Was führt Sie zu mir, Herr Rechtsanwalt?«
    »Ich verteidige Oskar Duschek und habe erst jetzt erfahren, daß er bei Ihnen in psychotherapeutischer Behandlung war.«
    »Stimmt«, bestätigte Normann.
    »Duschek hat seine Frau erstochen, und als einziges Motiv gibt er Haß an. Alle weiteren Auskünfte lehnt er ab. Dadurch wird der Prozeß für mich zu einem Problem.«
    »In Wirklichkeit hat Duschek seine Frau geliebt«, sagte Normann zur Überraschung des Anwalts.
    Viktor Riffart beugte sich vor: »Herr Doktor, ich möchte endlich die Hintergründe der Tat wissen. Der Staatsanwalt kann hundert Zeugen aufmarschieren lassen, die alle bestätigen, daß Lise Duschek ein Engel war.«
    Dr. Normann zuckte die Achseln. »Ich stehe unter ärztlicher Schweigepflicht, Herr Rechtsanwalt. Wenn mich Duschek nicht ausdrücklich davon entbindet …«
    Riffart hatte das vorausgesehen. Er schob ihm eine Vollmacht mit Duscheks Unterschrift über den Tisch.
    Normann las die wenigen Zeilen und legte das Papier zur Seite. »Duscheks Ehe war für ihn eine Hölle«, sagte er dann. »Der Teufel hätte sie nicht schlimmer erfinden können.«
    Riffart schüttelte den Kopf. »Verstehe ich nicht. Irgend jemand müßte das doch bemerkt haben.«
    »Wieso?« Der Psychiater sah ihn erstaunt an. »Unseren Erfahrungen nach stimmen vierzig Prozent aller Ehen nachts nicht. Und dafür gibt es keine Zeugen. Da spielen sich Tragödien ab, von denen niemand etwas ahnt.«
    Viktor Riffart sagte nichts darauf. Aber er warf wie zufällig einen Blick auf die Couch, die an der Wand stand. Könnte ich mich darauflegen und intimste Dinge ausplaudern? Nein, bei Gott. Nein. Verdammt noch mal, ein Mensch muß doch mit seinen Problemen selber fertig werden!
    »Duscheks Fegefeuer begann«, fuhr der Arzt fort, »wenn sich die Tür seines Schlafzimmers schloß. Seine Frau war jung, hübsch, verführerisch. Und er war ganz verrückt nach ihr. Sie erlaubte ihm einiges – aber im letzten Moment stieß sie ihn dann zurück. ›Ich mag das nicht‹, sagte sie, ›kannst du nicht anders lieb sein zu mir?‹«
    »Der Engel«, murmelte Riffart.
    »Das ging so über ein bis zwei Jahre. Dann hatte sie ihn geschafft. Er wurde impotent.«
    »Und dann?«
    »Dann drehte sie den Spieß um«, antwortete Normann. »Als sie merkte, daß er zur Liebe nicht mehr fähig war, spielte sie ihm nun Nacht für Nacht die unbefriedigte Ehefrau vor. Sie vergoß Tränen, wurde wütend. Und sie drohte ihm, einen Liebhaber zu nehmen.«
    »Was hatte sie davon – außer, daß sie jetzt auf dem Friedhof liegt?«
    Dr. Normann sah den Anwalt über den Schreibtisch hinweg an. »Hinter dem Puppengesicht der Lise Duschek, hinter ihrem freundlichen Lächeln verbarg sich eine frigide, eine völlig gefühlskalte Frau. Männer waren ihr gleichgültig, verstehen Sie? Aber es machte ihr Spaß, einen von ihnen, ihren Ehemann, zu quälen, zu vernichten. Es machte ihr Spaß, ihm seinen Wunsch nach einem Kind zu versagen.«
    »Frigide Frauen – wollen wohl auch keine Kinder?«
    »Häufig nicht.«
    Viktor Riffart bekam einen trockenen Mund. Er fand es entsetzlich, daß er jetzt an Laura denken mußte. Er hätte sich
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