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Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Titel: Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihr nichts aus, daß sie plötzlich allein war.
    Die Lichter des Münchner Nationaltheaters erloschen. Stille trat ein. Es war, als wagte niemand mehr zu flüstern. Der Vorhang war noch geschlossen, als plötzlich aus dem Parkett, von den Rängen herunter, aus den Logen ein Sturm des Beifalls aufbrandete. Das Haus schien entfesselt, noch ehe ›La Boheme‹ begonnen hatte. Der Mann, dessentwegen das Publikum sich seit Wochen um die Karten gerauft hatte, stand jetzt am Dirigentenpult.
    Laura hielt das Programm in der Hand. Sie klatschte auch, aber es war mehr ein Reflex als Begeisterung. Zum erstenmal sah sie Herbert von Karajan. Nur zehn Parkettreihen trennten sie von ihm. Es war ein Augenblick, auf den sie sich lange gefreut hatte – und nun saß sie da, maskenhaft starr, verzweifelt, aufgewühlt, in ihrem Innersten getroffen.
    Der Platz neben ihr war leer.
    Vielleicht der einzige Platz heute, der leer blieb.
    Erst in letzter Minute hatte sie sich entschlossen, allein in die Oper zu gehen. Auch ohne Viktor, der in der vergangenen Nacht nicht mehr heimgekommen war. Sie hatte sich schön gemacht, dieses goldschimmernde, lange Abendkleid angezogen, sich ein Taxi bestellt.
    Jetzt bereute sie ihren Entschluß. Viktors letzter Satz, ehe er die Wohnungstür zugeschlagen hatte, brannte ihr wie ein Feuermal in der Seele.
    Ich gehe zu einer Frau, denn du bist keine …
    Dieser Satz fraß sich in sie hinein, bohrte sich durch alle Gehirnwindungen. Es gab nichts anderes mehr, an das sie denken konnte.
    Und dann hielt sie es einfach nicht mehr aus in diesem Theater. Bei dieser Musik.
    Nach dem ersten Akt stand sie auf, taumelte hinaus. An der Garderobe ließ sie sich ihren Abendmantel geben, ging quer durch das einsame Foyer zum Ausgang.
    Da geschah etwas sehr Merkwürdiges.
    Eine Hand griff nach ihrem Arm. Und eine besorgte Männerstimme fragte: »Ist Ihnen nicht gut? Kann ich etwas für Sie tun?«
    Laura drehte sich um und sah ihn vor sich stehen, den großen, breitschultrigen Mann, dem der Smoking ausgezeichnet stand.
    Sie erkannte ihn sofort wieder. Am Mittwoch, im Parkhaus, die Geschichte mit dem Kuvert.
    »Sie sind doch hier?« fragte sie erstaunt.
    »Ja«, antwortete er. »Und um ehrlich zu sein: Ich wollte Sie wiedersehen.«
    Laura sah ihn an. Seine Worte hatten völlig ernst geklungen, so, als habe er schon lange auf diesen Augenblick gewartet.
    »Sie versäumen meinetwegen jetzt den zweiten Akt«, sagte sie.
    »Ich versäume gern auch den dritten«, antwortete er. Und dann nahm er sie wie selbstverständlich beim Arm und führte sie durch die Flügeltüren ins Freie.
    Ein menschenleerer Platz lag vor ihnen. Drüben bei der Hauptpost fuhren die Autos. Die Nacht war ganz ähnlich der Nacht, in der sie mit Viktor auf der Party gewesen war. Eine wunderschöne Sommernacht.
    Laura fühlte, daß der Mann an ihrer Seite alle Angst von ihr nahm.
    Viktor, dachte sie, das hättest du niemals sagen dürfen. Ich werde dir beweisen, daß ich eine Frau bin. Ich werde es dir beweisen. Dir und mir. Heute. In dieser Nacht. Mit diesem Fremden, der mich einfach an der Hand genommen hat.
    Normann schloß die Tür seines Wagens auf, half Laura beim Einsteigen, ging um den Wagen herum, setzte sich ans Steuer.
    »Ich heiße Laura«, sagte sie, »genügt Ihnen das?« Ein merkwürdiger Blick traf ihn dabei. Er konnte sich täuschen – aber es schien ihm, als liege eine Bitte darin.
    »Ich heiße Richard.«
    Sie ließ ihren dünnen Seidenmantel von den Schultern gleiten, lehnte sich zurück. »Was denken Sie jetzt, Richard?«
    »Ich denke, daß ich großes Glück gehabt habe, weil Sie an meiner Seite sitzen.«
    »Das haben Sie hübsch gesagt.«
    Wieder dieser merkwürdige Blick aus ihren hellen Augen, grün oder blau, es war nicht sicher zu entscheiden. Ihr goldglitzerndes Kleid ließ ihre Schultern frei und ihren schönen Rücken. Sie hatte ihr Haar zu einem glatten Goldhelm aufgesteckt. Er wußte, wie es sich anfühlen würde, dieses Haar. Wie es roch. Und er wußte, welches Gefühl es sein würde, das Gesicht darin zu vergraben.
    »Wohin fahren Sie mich?« fragte sie jetzt.
    »Haben Sie Angst?«
    Sie lächelte ein bißchen. »Wenn ich Angst hätte, wäre ich gar nicht erst eingestiegen.«
    »Stimmt. Wir sind eigentlich ja auch alte Bekannte.«
    Sie lachte und streifte ihn dabei mit ihren grünen oder blauen Augen – mit Augen jedenfalls, die genauso wie ihr Lachen zu dieser Sommernacht paßten. Es war eine fröhliche, leuchtende Nacht, so
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