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Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Titel: Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ohrfeigen können – und doch stieg ein furchtbarer Verdacht in ihm auf. So ruhig wie möglich fragte er: »Und warum schreit das Duschek nicht aus sich heraus – jetzt, wo es um seinen Kopf geht?«
    Ein paar Sekunden lang begegneten sich die Blicke der beiden Männer. Dann sagte der Arzt: »Wissen Sie, Herr Rechtsanwalt, er sieht nicht so gut aus wie Sie. Duschek ist klein, schmächtig, ein halber Krüppel. Er hat nie tanzen gelernt, hat als Junge nie Fußball gespielt. Er wird humpelnd den Gerichtssaal betreten. Und nun soll er auch noch öffentlich bekennen, daß er impotent ist?«
    »Aber er ist es doch im Grunde gar nicht, wenn ich Sie recht verstanden habe?«
    Normann nickte. »Nein, er ist es nicht. Das habe ich ihm auch gesagt. Daraufhin hat er, um seine Männlichkeit zu erproben, eine Dirne aufgesucht. Na ja, unter der gegebenen seelischen Belastung ist die Sache natürlich auch schief gegangen.«
    Riffart erhob sich. »Herr Doktor, Sie werden im Gerichtssaal der einzige Zeuge sein, der für ihn aussagt. Ich frage mich nur, ob man Ihnen Glauben schenken wird.«
    »Ich denke, ich kann es beweisen«, sagte Normann.
    Geistesabwesend, ein Sektglas in der Hand, blickte Rechtsanwalt Viktor Riffart auf seine Frau. Laura stand etwa zehn Schritte von ihm entfernt unter einem Baldachin, von ein paar nachtblauen Smokings belagert. Auf dieser Party, auf diesem feudalen Sommerfest eines eitlen Konsuls, zog sie die Männer wie eine Spinne an sich.
    Laura war schön, wunderschön. Er konnte stolz auf sie sein. Sicher verdankte er die Einladung ihr, denn der Konsul hatte sie kürzlich auf dem Tennisplatz spielen sehen. In weißen Shorts. Und wenn ihre blonden Haare im Wind flogen, dann sah sie besonders hinreißend aus.
    »Sind Sie in Gedanken schon bei Ihrem Prozeß, Herr Riffart?« Eine Dame sprach ihn an. Eine Adlige. Mitte Dreißig. Sie hatte eine angenehme Stimme.
    Um ehrlich zu sein, hätte er antworten müssen: Nein, ich bin in Gedanken bei meiner Frau. Um noch ehrlicher zu sein: Ich denke seit heute nachmittag darüber nach, ob sie frigid ist. So, wie Lise Duschek – frigid und kalt.
    Natürlich war er nicht ehrlich. Laut sagte er: »Den Zeitungsberichten nach scheint er so gut wie verurteilt zu sein.«
    »Ja, gibt es denn da überhaupt noch Zweifel?« fragte die Adlige.
    »Es gibt immer Zweifel, gnädige Frau.«
    Das Schlimme für ihn war, daß er an sich selbst zweifelte, seit er diesen Psychiater in seiner Praxis aufgesucht hatte. An sich selbst, an Laura, an seiner Ehe. An dem, was sie so oft zärtlich zueinander sagten: »Ich liebe dich.«
    Mein Gott, wie liebte ihn Laura? Schätzungsweise vierzig Prozent aller Ehen stimmen nachts nicht, hatte dieser Psychiater so ganz nebenbei bemerkt. Stimmte seine Ehe nachts?
    »Aber erstochen hat er sie doch«, sagte die Adlige.
    »Ja. Aber warum – das ist die Frage, die das Schwurgericht zu klären hat.«
    »Sinnlose Eifersucht, habe ich gelesen.«
    »Das habe ich auch gelesen«, antwortete er spöttisch.
    »Wissen Sie es besser?«
    »Vielleicht«, sagte Riffart.
    Partygespräche, Lachen, Gläserklirren, ein beleuchteter Swimming-pool, später sogar ein Feuerwerk, bunte Raketen, die in den Himmel stiegen.
    Er saß neben Laura in einer Schaukel. In der letzten halben Stunde hatte er ziemlich viel getrunken.
    »Was siehst du mich so an?« fragte Laura.
    »Darf ich dich nicht ansehen?«
    Sie drückte ihm einen Kuß auf die Wange. »Viktor, dir gefällt's hier nicht, laß uns bald gehen.«
    »Nein, laß uns nur noch bleiben. Um Mitternacht soll es eine Überraschung geben.«
    Hatte er Angst davor, nach Hause zu gehen? Hatte er zum erstenmal Angst davor, daß sie wieder sagen könnte: »Bitte nicht heute, Viktor. Ich bin so müde, und beschwipst bin ich auch.«
    Bis jetzt hatte ihm das nichts ausgemacht, oder fast nichts. Es kam auch nicht sehr oft vor. Und er liebte sie ja so, wie sie war: scheu, zurückhaltend, schutzbedürftig. Nie hatte er sich viel dabei gedacht.
    Aber seit heute nachmittag spulte der ganze Film seiner Ehe zurück. Die unsinnigsten Vermutungen stiegen in ihm auf. Hatte er sie je leidenschaftlich erlebt? Hatte er je ihr Verlangen gespürt? Hatte er sie nicht sogar einmal – und das war noch während der Hochzeitsreise – in ihrem Bett weinen sehen?
    Einen Augenblick lang war ihm, als spüre er ihre kühle Haut unter seinen Händen. Ihr regloses, immer ein wenig abgewandtes Gesicht auf dem Kissen, ihre Hände, die sich ins Leintuch klammerten, bis die
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