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Zug der Traeume

Zug der Traeume

Titel: Zug der Traeume
Autoren: Ruthie Knox
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die Innenseite seiner Ellenbogen, seine goldbraunen Unterarme, seine Hände. Ich weiß immer noch nicht, warum er die Hände eines rauen Mannes hat und so viele Muskeln und kaum Fett. Vielleicht ist er nebenbei Gärtner. Oder Läufer. Oder unterrichtet Pilates.
    Ich werde es nie erfahren, und der Gedanke ist eine Art finales Satzzeichen unserer Beziehung.
    Mit meinen Händen vermesse ich seine Taille, streiche ihm mit den Fingern über Bauch und Brust. Ich versuche nicht, ihn anzumachen. Ich glaube, ich versuche, ihn mir einzuprägen.
    Er steht da und lässt es zu. Als ich fertig bin, küsse ich ihn und denke zuerst, er würde meinen Kuss nicht erwidern, doch er tut es, und zwar heftig. Er hält meinen Kopf mit den Fingerspitzen, als wäre ich zerbrechlich, küsst mich aber mit einer Begierde, die ich irgendwie schon vergessen hatte.
    Irgendetwas ist da. Irgendetwas zwischen uns. Doch es reicht nicht.
    Ich weiche zurück, steige die Treppe hinab und fahre weg.
    Ich brauche ihn nicht mehr.
    Ich sehe ihn auf dem Highway. Er fährt einen Smart, einen Hybrid- SUV , einen Sattelzug, der mit Baumstämmen beladen ist. Sein Name ist Johnny, Ray, Clint. Er ist der Mann ohne Namen. Er ist niemand.
    Er ist jeder einzelne Mann, dem ich begegne, an jeder Ecke, um die ich biege, jeder Gedanken in meinem Kopf.
    Es ist widerlich, wie ich trauere. Bodenlos. Völlig unverhältnismäßig.
    Mein Vertrag wird erneuert, Josh beginnt, in kleinen Sätzen zu sprechen, und ich bin immer noch mit meinen Gedanken woanders. Besessen.
    Aber es findet alles im Stillen statt, ganz privat, weil Josh die meiste Zeit bei mir ist, und er braucht mich, um mit ihm Bauklötze zu spielen, seine Windeln zu wechseln und ihn mit Apfelmus zu füttern. Ich kann bei Josh nicht die Trübsal-Barbie sein. Er merkt den Unterschied, ob er meine Aufmerksamkeit hat oder nicht, und er will sie in jedem wachen Moment.
    »
Guck mal, Mama!«
,
sagt er und zeigt nach oben auf einen Vogel.
    »
Lies das!«,
sagt er und schmeißt sich mit einem Kartonbuch auf meinen Schoß.
    »
Hochnehmen!«,
sagt er, wenn er möchte, dass ich ihn durch die Wohnung trage.
    Ich bin seine Mutter, und ich bereue es nicht. Aber mein Marilyn-Ich, Rhoda-Ich, Hepburn-Ich ergreift immer wieder mal die Flucht. Läuft in meiner Erinnerung nach wie vor ins Eisenbahnmuseum, um nach Tyler zu sehen. Spielt rührselige Schallplatten auf dem Victrola, trinkt zu viel Sherry und heult, bis die Mascara verläuft.
    Ich weiß nicht, was ich mit diesem Ich machen soll. Ich überlasse es sich selbst. Ich schätze, sein Herz ist gebrochen. Es braucht Zeit, um zu heilen.
    Der vierte Dienstag im November kommt und geht vorbei. Es geht ihr immer noch nicht besser.
    Nicht annähernd.

7
    Ich füttere gerade Josh zum Frühstück mit einer Waffel, als das Telefon klingelt und ich denke:
Mist, verdammter.
    Um sieben Uhr fünfundfünfzig kann das eigentlich nur die Babysitterin sein, und der einzige Grund, warum sie anrufen sollte, ist, dass sie nicht kommen kann.
    Ich spiele kurz mit dem Gedanken, nicht dranzugehen, aber dann fällt mir wieder ein, dass Zauberei bei Babysittern nicht wirkt.
    Trotzdem ist sie es nicht.
    »Hi, Mandy. Ich bin’s, Tyler.« Er räuspert sich. »Ist es ein schlechter Zeitpunkt?«
    Der Klang seiner Stimme ist ein Stich zitternder Angst in meinen Magen.
    Mir läuft Sirup auf das Telefon. Ich trage eine Flanellschlafanzughose mit Stinktieren drauf und muss mir überlegen, wie ich die Zeit krümme, damit ich Josh der Babysitterin übergeben, duschen, mich anziehen, essen und um neun zum Unterricht auf dem Campus sein kann.
    Es ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt.
    »Nein, schon gut. Was gibt’s denn?«
    Ich vergewissere mich, dass Josh damit beschäftigt ist, mit der Waffel ein heilloses Chaos zu veranstalten, und gehe hinüber ins Wohnzimmer.
    »Ich würde dich gern sehen.«
    Einen Moment sage ich gar nichts. Ich bin damit beschäftigt, auf dem Boden eine Yogastellung einzunehmen und die Stirn in die Teppichfasern zu drücken. Ich hab mal gehört, dass das ein wichtiger Druckpunkt ist. Die Stirn auf Gegenstände zu drücken, soll beruhigend wirken. Deswegen machen Kühe es wahrscheinlich und Pferde.
    Ich bin viel zu aufgeregt. Das wird mit Sicherheit in einer Enttäuschung enden. Er will mich aus irgendeinem beruflichen Grund sehen, und ich sterbe daran. Oder er will mich sehen, um mich zurückzugewinnen, nur dass das auch eine Katastrophe wäre, weil er nicht der Richtige für mich ist. Das hat
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