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Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)

Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)

Titel: Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
Autoren: Melanie Hinz
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1.
     
    Ich hasse Sport. Aktiv und passiv. Dennoch sitze ich wieder im Stadion, um meinen großen Bruder beim Footballtraining zu bewundern. Die Sonne brennt mir auf meine blasse Haut. Ich verstecke meine kupferroten Locken unter einer Mütze und sehe erstaunt dabei zu, wie sich die Sommersprossen auf meinen Unterarmen explosionsartig vermehren.
    So sehr ich meinen Bruder auch liebe, wären seine Teamkollegen nicht solche Sahneschnitten, dann würde ich jetzt lieber auf meiner Dachterrasse sitzen. Die Füße in einem Planschbecken voller Eiswürfel und ein gutes Buch in der Hand. Wenigstens nimmt er mich nach dem Training mit in diese neue Bar, in die ich ohne den, wenn auch geringen, VIP-Status meines Bruders nie hereinkommen würde. Dort kann ich den neuen Teamkollegen, über den alle so aufgeregt sind, mal aus der Nähe und ohne Ausrüstung begutachten.
    Die Neuen sind lustig. Sie wissen noch nicht, dass ich die kleine Schwester von Thorsten bin.
    Es ist nicht so, dass ich mich durch Team schlafen würde. Ganz im Gegenteil, ich genieße nur den Anblick und hoffe darauf, irgendwann mal einen Kerl zu finden, der nur halb so gut aussieht und einen IQ hat, der sein Lebensalter überschreitet. Nicht dass ich meinen Bruder für so eine hohle Frucht halten würde, aber im Großen und Ganzen treffen die Vorurteile über Sportler schon zu.
     
    Vor der Theke warte ich auf den Auftritt der Jungs. Es ist jedes Mal ein Spektakel, wenn sie in einer geschlossenen Truppe, in dunkelgrauen Anzügen und mit gestärktem Kragen, in ein Lokal einfallen.
    Ich muss mich nicht umdrehen. Den Moment, als sie die Bar betreten, erkennt man deutlich am Getuschel der Frauen und am Rascheln der aneinander reibenden Seidenstrümpfe.
    Der Raum ist von einem Summen erfüllt, als befände man sich in einem Bienenstock. Deswegen bemerke ich die Gestalt, die sich neben mir auf dem Barhocker platziert, erst als sie mich anspricht. Ein grauer Anzug. Das ging schnell. Mein eng anliegendes, aber nicht zu knappes, violettes Sommerkleid und rote Locken, die sich über einen schmalen Rücken ergießen, verfehlen selten ihre Wirkung.
    „Hey pretty.“ Ein Ami? Ich werfe ihm einen abschätzigen Blick von der Seite zu und wende mich wieder meiner leeren Margarita zu.
    „Kann ich dir einen Drink spendieren?“, fragt er in einem breiten Südstaatenakzent und nickt zu meinem Glas.
    Ich drehe mich zu ihm und antworte mit einem falschen Lächeln: „Solange deine nächste Frage nicht lautet: Trägst du unten die gleiche Haarfarbe wie oben?, hätte ich gerne noch einen Drink.“
    Meine eigentlich schnippische Antwort bleibt mir beinahe im Halse stecken und bahnt sich nur in schiefen Krächztönen ihren Weg nach draußen. Meine Güte, ist der hübsch. Kein Wunder, dass mein Bruder so aus dem Häuschen war, als er mir von ihm erzählt hat.
    Ja, mein Bruder ist schwul.
    Nein, seine Teamkollegen wissen nichts davon.
    Sie halten ihn für einen Frauenhelden, der nach jedem Spiel Groupies, beziehungsweise Cheerleader mit nach Hause nimmt. Und er tut alles dafür, um dieses Image aufrechtzuerhalten. Er lebt in einer festen Beziehung, doch er hat Angst, seinen Status im Team zu verlieren.
    Ich hoffe sehr, dass die schummerige Beleuchtung in der Bar meine Schamesröte etwas verdeckt. Statt auf meinen blöden Kommentar zu reagieren, hält er mir seine Hand zur Begrüßung hin. Ich nehme sie und wir schütteln uns förmlich die Hände.
    „Eric“, sagt er grinsend und zeigt mir seine Grübchen.
    Ob er auch solche Grübchen über dem Po hat?
    „Nina“, antworte ich verlegen.
    Mein Bruder beobachtet uns vom anderen Ende der Bar und sieht mich skeptisch an. Ich rolle mit den Augen und ignoriere ihn dann.
    „Dir ist schon bewusst, dass ich weder ein Cheerleader, noch ein Footballgroupie bin?“, sage ich mit herausforderndem Blick. Eric zuckt desinteressiert mit den Schultern und winkt den Barkeeper heran. Ich nutze den Augenblick, um ihn schamlos von der Seite zu begutachten. Seine schwarzen Haare stehen ihm wild vom Kopf ab, als hätte er sich nach dem Duschen nur abgetrocknet und nachlässig seinen Anzug übergeworfen. Er sieht wieder zu mir und blitzt mich aus stahlblauen Augen an. Ausgeprägte Wangenknochen und ein Dreitagebart lassen meine Fingerspitzen zucken. Nur einmal anfassen.
    Nachdem er dem Barkeeper unsere Bestellung durchgegeben hat, dreht er sich wieder zu mir und flüstert ganz nah an meinem Ohr: „Es ist keine Frage der Farbe. Girls like you are shaved.
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