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Zug der Traeume

Zug der Traeume

Titel: Zug der Traeume
Autoren: Ruthie Knox
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Knie total faszinierend. Ich war noch nie gut auf diesem Gebiet der Zwischenmenschlichkeit. Wo man anderen peinliche Sachen gestehen muss. Ich habe mal Paiges Hamster aus dem Käfig gelassen, und er ist abgehauen und verschwunden. Ich habe ihr nicht gesagt, dass es meine Schuld war, nicht einmal, als wir ihn tot hinter ihrem Kleiderschrank gefunden haben. Da schon gar nicht. Gott.
    Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das Leben genau das von uns verlangt. Dass wir lernen, die Wahrheit zu sagen, wenn wir uns als Erwachsene bezeichnen. Also mache ich den Mund auf, und als sonst nichts herauskommt, schlucke ich, drücke kräftig mein Knie und versuche es noch einmal.
    »Ich habe ein Kind.«
    Tyler sagt nichts, und ich sehe ihn nicht an, also kann ich beim besten Willen nicht wissen, was er denkt.
    »Sein Name ist Josh. Er ist ungefähr ein Jahr alt und das Kind meiner Schwester, doch sie ist ums Leben gekommen, und er ist bei mir, seit er ganz klein war.«
    Immer noch nichts von Tyler. Ich blicke hoch, bis zu seinem Schreibtisch, aber das sagt mir lediglich, dass er nicht tot umgefallen ist. Seine Hände kann ich nicht sehen. Sein Rumpf verrät mir nicht viel.
    »Ich hatte gehofft, ich könnte … dich treffen. Außerhalb des Eisenbahnmuseums, als ich … und du als du. Aber ich dachte, ich erzähle dir besser erst von meinem Kind, weil …«
    Oje. Eine Gesprächsfalle.
Weil ich weiß, dass du Kinder hasst
ist eine Möglichkeit, den Satz zu beenden, allerdings keine gute. Ich entscheide mich für: »… weil ich das Gefühl hatte, du solltest das wissen. Über mich.«
    Als ich ihm schließlich nach siebzehn dämlichen Herzschlägen der Feigheit ins Gesicht sehe, ist es gar nicht so schlimm. Doch auch nicht gerade gut. Eher verstörend neutral.
    »Willst du dich mit mir treffen?«
    Keine Ahnung, warum ich ihn das frage. Es fühlt sich an, als beginge ich vor seinen Augen Harakiri.
Schwert trifft auf weichen Unterbauch.
    Er presst die Lippen aufeinander. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen, die Stirn legt sich in Falten. Ein Gesicht trauriger Verblüffung. Ein Absagegesicht. Er behält es ein paar Augenblicke bei, während er den Kopf von einer Seite zur anderen bewegt.
    Oh Gott.
    In dem Moment fange ich an, die Geschichte von allem, was je zwischen uns passiert ist, umzudeuten. Ich werde zur Nachstellerin, der Verrückten, die ihm gemailt hat, weil sein Witzprofil ihr gefallen hat. Zu der Frau, die sich wie eine Nutte anzieht und in der Öffentlichkeit Sex mit einem Fremden hat, der nicht wissen will, wie sie heißt, der sie nicht leiden kann, der nie damit gerechnet hätte, dass er sich mal in der echten Welt mit ihr unterhalten muss.
    Dass das lächerlich ist, weiß in diesem Moment sogar ich. Die Geschichte lässt nur einen begrenzten Spielraum für Interpretation, und ich übertreibe es total. Aber die Ablehnung in seinem Gesicht … seine Verlegenheit. Sie gelten mir. Er schämt sich für mich. Sein Ausdruck ist voller Traurigkeit und Mitgefühl, wodurch ich mich wie ein Opfer fühle, und das ist das Allerschlimmste. Das, was ich am allerwenigsten von ihm ertragen kann.
    Ich bekomme viel Mitleid:
Oh, du bist so eine tapfere Frau! Wie gutherzig von dir, dass du den Sohn deiner Schwester aufgenommen hast! Wie schaffst du das bloß alles?
    Ich bemitleide mich ja selbst, obwohl ich versuche, es auf einem Minimum zu halten.
    Tyler hat mich vorher nie bemitleidet. Ich dachte, er hätte etwas in mir gesehen, etwas für mich gefühlt.
    Ich schätze, ich bin bloß ein Trottel.
    Anstatt aufzuhören, verhalte ich mich noch trotteliger. Meine Zunge läuft jetzt auf Autopilot, angetrieben durch die Trägheit meiner Demütigung.
    »Warum nicht?«
    Er pflügt sich mit den Fingern durchs Haar und atmet vernehmlich aus. »Es war einfach nur Spaß. Mehr sollte es nie sein, weißt du, eine Art Jux.«
    »Aber es ist inzwischen mehr als das, findest du nicht?«
Viel mehr.
    Ich bin keine so große Idiotin, dass ich glaube, dass er mir zustimmt, von seinem Stuhl hochspringt, mich küsst und dass sich dieser Albtraum in eine Riesenportion Friede, Freude, Eierkuchen verwandelt. Wahrscheinlich habe ich einfach das Bedürfnis, den Karren noch gründlicher gegen die Wand zu fahren.
    »Ich … will nicht, dass es mehr wird.«
    »Weil ich einen Sohn habe.«
    Seine Finger trommeln auf die Armlehne seines Bürostuhls. »Weil ich nicht mit der Verantwortung umgehen kann.«
    Als ich ihm dieses Mal ins Gesicht blicke, überdenke ich alles, was
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