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Zug der Traeume

Zug der Traeume

Titel: Zug der Traeume
Autoren: Ruthie Knox
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in meinem Bürostuhl hin und her, sehe mir die Bücher in meinen Regalen an und denke an Tyler und mich und Josh und dieses ganze wahnwitzige Chaos, in das ich mich manövriert habe.
    »Es ist so kompliziert.«
    »Eigentlich nicht. Mädchen trifft Junge. Mädchen mag Jungen. Mädchen lädt Junge zum Essen ein.«
    »Was, wenn er Nein sagt?«
    »Dann tust du in der Öffentlichkeit weiterhin so, als würdest du ihn nicht kennen, und schläfst mit ihm weiter in Zügen, bis du deswegen verhaftet wirst. Die eigentliche Frage ist: Was, wenn er Ja sagt?«
    Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Wenn er Ja sagen würde, würde das bedeuten, dass ich Tyler in meinem Leben haben könnte. Jeden Tag. Oder auch jede Woche. Ich könnte ihn kennenlernen. Ich könnte ihn lieben, vielleicht.
    Ich muss es versuchen.
    Ein paar Tage später lasse ich Josh bei Lisa und verspreche, in einer Stunde wieder da zu sein, denn sie muss um drei unterrichten.
    Die Wände des Flurs, der zu Tylers Büro führt, schmücken Fotos. Ich habe sie mir nie angesehen, aber jetzt weiß ich, dass er sie möglicherweise ausgesucht hat. Sie sind vielleicht ein Beispiel seines kuratorischen Genies. Also schaue ich sie mir an.
    Es sind Zugwracks. Buchstäblich.
    Riesige Loks, die auf der Seite liegen, gestrandet wie Wale oder zusammengestaucht im Schnee. Trümmer und dampfendes Metall, lebendige Bilder, die den Geruch von brennendem Kreosot, Schluchzen und Unglück heraufbeschwören.
    Nicht gerade ermutigend.
    Ich bleibe vor seiner Tür stehen und starre auf das Namensschild. Oder vielmehr auf sein Nicht-Namensschild. Da steht nur FOTO
-
ARCHIVAR .
    Ich frage mich, was er macht, wenn er nicht hier ist. Ob er im Keller Gras raucht oder alten Damen über die Straße hilft oder in irgendeinem Supermarkt, in dem ich nie einkaufe, Lebensmittel in Tüten packt.
    Ich will es wissen. Deshalb klopfe ich. Weil ich es wissen will.
    »Herein«, sagt er.
    Und reißt die Augen auf, als ich die Tür öffne.
    Ich habe darauf geachtet, mich wie mein normales Ich zu kleiden, als eine Art Botschaft.
Hier bin ich
, sagt mein Outfit.
Die Art Frau, die Jeans und sehr schmutzige alte Turnschuhe trägt und einen dunkelblauen Pulli aus Schurwolle, der am Ärmelbund ein bisschen aufgeribbelt ist. Die Art Frau, die heute nicht geduscht hat (und es wahrscheinlich auch nicht mehr tun wird) und die den Frisör anweisen muss, ihr das Haar nicht so zu schneiden, dass es irgendwelche besondere Aufmerksamkeit erfordert, weil sie ihren Föhn so selten benutzt, dass er jedes Mal nach verbranntem Staub riecht, wenn sie ihn anmacht.
    Hier bin ich.
    »Hallo Mandy.«
    Ich bin dankbar –
so
dankbar –, dass er nicht so tut, als wären wir uns nie begegnet. Womit, wie mir in den Sinn kommt, die Latte etwas niedrig liegt.
    »Hi.« Ich blicke auf meine Hand an der Türklinke. »Hast du kurz Zeit?«
    Er steht auf. »Klar. Komm rein!« Er räumt einen Stapel Aktenmappen von dem Stuhl neben seinem Schreibtisch und winkt mich herein. »Entschuldige, es ist etwas unordentlich.«
    Tyler bei der Arbeit ist Tyler in einem nicht in die Hose gesteckten Oberhemd und einer Strickweste mit V-Ausschnitt und grau-schwarzem Fischgrätmuster. In diesem Outfit müsste er eigentlich wie ein Oberstreber aussehen, was aber nicht der Fall ist. Er trägt Jeans und Vans.
Casual Friday
im Eisenbahnmuseum, schätze ich.
    Das fluoreszierende Licht fängt die feinen Linien in den Winkeln seiner Augen ein und die Schatten darunter. Er sieht müde aus, älter als siebenundzwanzig. Er hat Fotos über seinen ganzen Schreibtisch verteilt und so ein Vergrößerungsteil, wie Juweliere es benutzen. Lupe nennt man das wohl.
    »Trainspotting?«, frage ich und setze mich.
    Ein ganz schlechter Witz. Eigentlich nicht mal ein Witz, sondern eine Albernheit. Er lächelt halb, aber nicht auf eine Art, die mich beruhigt.
    »Kann man so sagen«, sagt er. »Ich versuche zu bestimmen, welche Bilder von unserer Big Boy sind und welche die anderen zeigen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es noch andere gibt.«
    »Natürlich, eine Menge. Ein paar Dutzend.«
    Seine Schultern sind angespannt. Ich denke, meine Anwesenheit ist ihm unangenehm, und er hätte gern, dass ich gehe, aber will mich nicht darum bitten. Mein Herz fühlt sich jämmerlich zusammengepresst an, und mein Hals wird eng.
    »Ist es ein Problem, dass ich hier bin?«
    »Nein. Ich schätze nicht.« Er zuckt mit den Schultern. »Willst du mir sagen, was los ist?«
    Plötzlich finde ich meine
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