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Zug der Traeume

Zug der Traeume

Titel: Zug der Traeume
Autoren: Ruthie Knox
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Aber du hast die falsche Vorstellung von mir. Du musst mir Zeit geben, mich zu erklären.«
    »Ich habe keine Zeit. Ich muss mich für die Arbeit fertig machen.«
    »Dann lass mich dich ausführen! Heute Abend. Morgen. Wann du willst.«
    »Ich werde darüber nachdenken.«
    Er greift wieder nach mir, diesmal nach meinen Schultern, und ich lasse mich von ihm einfangen. »Das reicht nicht. Gib mir eine Chance! Bitte, Mandy!«
    Ich ducke mich aus seinen Armen, ehe er mich noch schwächer machen kann, als ich es ohnehin schon bin. »Bedränge mich nicht! Du kannst nicht mit mir umspringen, wie du willst. Ich sagte, ich werde darüber nachdenken. Und jetzt lass mich, ja? Ich muss mich für die Arbeit fertig machen.«
    Zu seinem Glück tut er, was ich sage. Er hat diesen Hundeblick, diesen verletzten Ausdruck, wie ein tragisch missverstandener Leinwandstar. »Na gut«, antwortet er. »Du rufst mich an.«
    Ich nicke. »Ich rufe dich an.«
    Als er geht, muss ich mich aufs Bett setzen und mehrere Minuten lang tief ein- und ausatmen, ehe ich bereit bin, mich der Tatsache zu stellen, dass ich mich anziehen und hinaus in die Welt und einem Beruf nachgehen muss.
    Ich gebe ein dreistündiges Seminar,
Der Mythos des amerikanischen Westens
, und bin grauenhaft. Letztendlich sind es zwei Stunden und fünfzehn Minuten Gruppenarbeit, Videofilme und Herunterleiern, und dann lasse ich die Studenten ihrer Wege gehen, denn ich bekomme das Thema Tyler einfach nicht aus dem Kopf.
    Ich komme zu keinem Entschluss, ob er eine zweite Chance verdient. Ich komme zu keinem Entschluss, was ich über die reale Version von ihm denken soll, dem Mann, der mich zweimal so grausam abgewiesen hat und dann reumütig auf meiner Türschwelle aufgetaucht ist – sechs Wochen zu spät.
    Ich habe immer noch keinen Entschluss gefasst, als ich aus dem Seminarraum trete und Tyler im Flur auf mich wartet.
    »Hast du darüber nachgedacht?«, fragt er.
    Er sagt es irgendwie so kleinlaut und demütig, dass es mir die Fähigkeit raubt, ihn für sein Drängeln zu hassen. »Ja.«
    »Hast du dich entschieden?«
    »Nein.«
    Er nickt, als hätte er damit gerechnet. »Ich will dir etwas zeigen. Es könnte dir bei der Entscheidung helfen. Aber dazu muss ich dich mit zu mir nach Hause nehmen. Geht das? Oder musst du heim zu Josh?«
    Eigentlich habe ich Sprechstunde, doch Anfang Dezember ist immer Flaute, bevor die absolute Panik einsetzt, und es kommen nicht besonders viele Studenten. Außerdem denke ich, was immer zwischen Tyler und mir ist, wir sollten es besser schnell herausfinden, denn es ging mir nicht gerade prickelnd, als ich sechs Wochen lang mit blutendem Herzen herumlief, und jetzt geht es mir noch schlechter.
    »Lass mich eben einen Zettel an meine Tür hängen!«
    Wir gehen also zusammen in mein Büro. Ich schließe auf, schreibe eine Nachricht, dass meine Sprechstunde leider ausfallen muss, und klebe sie an die Tür. Tyler prüft derweil die Buchrücken in meinem Regal. Er wirkt in meinem Büro wie eine exotische Kreatur. Er sieht nicht jung oder unreif aus. Er sieht aus wie ein Mann, der gern akademische Bücher unter die Lupe nimmt – wie ein Mann, der sich doch tatsächlich um den Beruf meiner Wahl schert, was äußerst selten vorkommt.
    Mir kommt der Gedanke, dass wir wirklich toll zusammen sein könnten, wenn unsere Beziehung nicht zum Scheitern verurteilt wäre.
    Er fährt einen Nissan. Außen schwarz, innen grau, absolut makellos. Auch beim Autofahren wirkt er nicht zu jung. Während er den Wagen durch die Straßen von Green Bay lenkt, sieht er kompetent, erwachsen und unglaublich heiß aus.
    Nachdem er den Motor ausgestellt hat, bleiben wir eine Weile reglos in seiner Einfahrt sitzen. Schließlich blickt er mich an. Die Kühlung gibt klopfende Geräusche von sich, und er sagt: »Du hast mir erzählt, dass deine Schwester im Eis eingebrochen wäre. Was ist in Wirklichkeit passiert?«
    »Sie wurde von einem betrunkenen Autofahrer umgebracht. Sie, ihr Mann und meine Nichte.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ja. Mir auch.«
    Er fährt mit den Händen über das Lenkrad, in zwei Halbkreisen von zwölf nach sechs Uhr. »Wenn wir da reingehen, möchte ich, dass du nur zusiehst, ja? Und ich will, dass du weißt, ich habe dir das alles erzählt, genauso wie du mir von deiner Schwester erzählt hast.«
    Ich habe nur eine ganz vage Vorstellung, was er meint, und keine Ahnung, wozu ich mich bereit erkläre. »Okay.«
    Ich folge ihm nach drinnen. Die Seitentür führt uns in
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