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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster
Autoren: Ellis Peters
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daß man dich hört? Ich bezweifle es! Keiner der Männer könnte durch dieses kleine Loch zu ihr gelangen, nicht einmal, wenn wir so viel Zeit hätten, das ganze Gitter zu entfernen.«
    »Doch, ich kann! Ihr vergeßt«, flüsterte Liliwin eifrig, »daß ich klein und leicht bin, und außerdem bin ich von Kindesbeinen an Akrobat. Das ist mein Handwerk. Ich kann zu ihr gelangen! Ich komme überall hinauf, wo eine Katze hinaufkommt. Und sie ist sogar noch kleiner als ich, auch wenn sie nicht so gelenkig ist wie ich. Wenn ich ein Seil hätte, könnte ich es dort oben festmachen und in aller Ruhe das Gitter entfernen. Einen Versuch ist es ganz bestimmt wert! Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich kann und werde es tun!«
    »Warte!« sagte Cadfael. »Bleib hier in der Deckung, während ich Hugh Beringar davon berichte und dir ein Seil hole. Wir werden versuchen, sie abzulenken und an die Luke zu locken.
    Aber unternimm nichts, bevor ich wieder zurück bin.«
    »Das ist nicht verrückter als alles andere, was wir hier tun könnten«, sagte Beringar, als er Cadfael angehört und Liliwins Vorschlag bedacht hatte. »Wenn Ihr ihm vertraut, werde ich es auch tun. Glaubt Ihr wirklich, daß er durch die Gitteröffnung hineinschlüpfen kann? Ist es möglich?«
    »Ich habe gesehen, wie er einen Knoten in seinen Körper gemacht hat, auf den eine Schlange stolz sein könnte«, sagte Cadfael, »und wenn er glaubt, das Loch sei groß genug für ihn, dann meine ich, daß er das besser beurteilen kann als ich. Das ist das, was er gelernt hat, und er ist stolz darauf. Ja, ich vertraue ihm und seiner Kunst.«
    »Ich werde ihm ein Seil und einen Meißel bringen lassen, mit dem er die Gitterstäbe lockern kann, aber so lange wird er noch warten müssen. Wir müssen dafür sorgen, daß die beiden wach bleiben und ihre Aufmerksamkeit nicht nachläßt. Notfalls werden wir ein oder zwei Scheinangriffe versuchen – nur dürfen wir sie nicht in Panik bringen. Und er soll noch warten, denn ich glaube, es wäre gut, das erste Tageslicht abzuwarten, damit Alcher die Luke und den, der gerade dort sitzt, gut erkennen kann und sein Pfeil, wenn es sein muß, sein Ziel findet. Wenn wir schon zulassen müssen, daß ein armer, anständiger Kerl sein Leben aufs Spiel setzt, wollen wir ihm wenigstens möglichst viel Hilfe und Unterstützung geben.«
    »Es wäre mir lieber«, sagte Cadfael traurig, »wenn das alles ohne Blutvergießen abginge.«
    »Mir auch«, pflichtete Beringar ihm grimmig bei, »aber wenn schon Blut fließen muß, dann lieber das der Schuldigen als das der Unschuldigen.«
    Das Morgengrauen war noch mehr als eineinhalb Stunden entfernt, als sie Liliwin das Seil brachten. Der Himmel im Osten war nicht mehr schwarzblau, sondern blau-grün, und ein schmaler, heller Streifen am Horizont ließ die Umrisse des Geländes und der Stadt hervortreten.
    »Lieber ein Seil um den Bauch als eins um den Hals«, flüsterte Liliwin, als Cadfael das Seil verknotete.
    »Ich sehe, daß dein Mut dich nicht verlassen hat. Gott sei mit euch beiden! Aber selbst wenn du zu ihr gelangst – kann sie das Seil hinunterklettern? Mädchen sind nicht solche Akrobaten wie du.«
    »Ich werde aufpassen. Sie ist so leicht und klein, daß sie sich am Seil festhalten und rückwärts die Wand hinunterlaufen kann… Ihr müßt nur die beiden anderen ablenken.«
    »Aber laß dir Zeit und gib acht, daß du keinen Lärm machst«, schärfte Cadfael ihm so ängstlich ein, als sei Liliwin sein Sohn, der in die Schlacht zog. »Ich werde für die Verbindung zwischen Hugh Beringar und dir sorgen. Und das Tageslicht nützt uns, nicht ihnen.«
    Liliwin schleuderte seine Schuhe von den Füßen. Cadfael sah, daß seine Strümpfe Löcher an den Zehen hatten. Bei dem, was er nun vorhatte, mochte ihm das von Nutzen sein, aber wenn er – falls Gott das wollte, und offenbar wollte er es – wieder in die Welt hinauszog, sollte er besser ausgestattet sein.
    Der Junge schlich lautlos den Abhang hinunter zum Stall, tastete mit ausgestreckten Armen nach winzigen Vorsprüngen, die ein schwerer Mann nie in Erwägung gezogen hätte, schob seine Zehen in eine Holzspalte und kletterte gewandt wie ein Eichhörnchen die Wand hinauf.
    Cadfael wartete und sah zu, bis Liliwin das Seil an einem Dachbalken festgemacht und den ersten morschen Gitterstab langsam und vorsichtig entfernt hatte. Geräuschlos ließ er das Holzstück in das dichte Gras fallen. Mehr als eine halbe Stunde war vergangen. Hin und wieder
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