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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster
Autoren: Ellis Peters
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Eingeschlossenen glaubten, ein Angriff stehe bevor, mochten sie sich zu einer Verzweiflungstat hinreißen lassen. Im Augenblick konnte man nichts weiter tun, als zu warten und den Gegner zu ermüden.
    Höchstwahrscheinlich hatten die beiden im Stall nur sehr wenig Proviant und Wasser. Es war ein Leichtes, ihnen auch den Schlaf zu nehmen. Auch bei einer solchen Taktik bestand die Gefahr einer plötzlichen Verzweiflungstat, die ein Gemetzel nach sich ziehen könnte, aber dies ließ sich vermeiden, wenn man langsam und vorsichtig vorging. Müdigkeit hatte manchmal schon den Willen von Menschen gebrochen, die bereit gewesen waren, jeder Folter zu widerstehen, und Tatenlosigkeit erschöpfte gerade die am meisten, die am entschlossensten waren, etwas zu tun.
    »Versucht Ihr Euer Glück«, sagte Beringar eine Weile nach Mitternacht leise zu Cadfael. »Sie können nicht wissen, daß Ihr hier seid – vielleicht findet Ihr eine schwache Stelle.«
    In den frühen Morgenstunden, wenn das Herz verzagt ist, kann man Menschen im Handstreich überrumpeln, wie es bei Tag, wenn Körper und Geist hellwach sind, nicht möglich wäre.
    Cadfaels Stimme, die tiefer und rauher war als die Beringars, verleitete Iestyn dazu, sich unvorsichtig weit aus der Luke zu lehnen, um einen Blick auf diesen neuen Verhandlungspartner zu werfen.
    »Wer seid Ihr? Was für einen Trick versucht Ihr jetzt?«
    »Keinen Trick, Iestyn. Ich bin Bruder Cadfael aus dem Kloster, derselbe, der manchmal mit Arzneien ins Haus von Meister Aurifaber gekommen ist. Ihr kennt mich, wenn auch vielleicht nicht gut genug, um mir zu trauen. Laßt mich mit Susanna sprechen – sie kennt mich besser.«
    Er hatte angenommen, daß sie sich weigern würde, mit ihm zu sprechen oder ihn anzuhören. Wenn sie sich einmal für etwas entschieden hatte, würde sie sich nicht mehr davon abbringen lassen oder es dulden, daß sich ihr jemand in den Weg stellte. Aber sie erschien in der Luke und hörte ihm zu. So war wenigstens ein weiterer Aufschub gewonnen. Cadfael hörte, wie die beiden Liebenden auf dem Heuboden die Plätze tauschten, und diesmal geschah es ohne Berührungen und Liebkosungen, denn dafür bestand keine Notwendigkeit – ob lebend oder tot, sie waren zwei Hälften eines Ganzen. Einer von ihnen, das war nach Iestyns Schrei vorhin klar, mußte die Gefangene im Auge behalten. Sie hatten sie also nicht gefesselt oder hielten es nicht für nötig. Vielleicht gab es in dem Stall keinen Strick. Man hatte sie mitten in ihrer Flucht gefangengesetzt. War es eine Sünde zu wünschen, sie wären eine Stunde früher losgeritten?
    »Susanna, es ist noch nicht zu spät für eine Wiedergutmachung. Ich weiß, wessen Ihr Euch schuldig gemacht habt, und ich werde mich für Euch einsetzen. Aber Mord bleibt Mord. Glaubt nicht, daß Ihr davonkommen werdet.
    Auch wenn es Euch gelingen sollte, Euch der irdischen Gerichtsbarkeit zu entziehen, so gibt es doch noch eine andere, der ihr verfallen werdet. Es ist besser zu büßen und Frieden zu haben.«
    »Was für ein Friede?« Ihre Stimme klang bitter und kalt. »Für mich gibt es keinen Frieden. Ich bin wie ein verkümmerter Baum, dem man die Erde, die er zum Wachsen braucht, vorenthalten hat, und Ihr glaubt, daß ich jetzt, da ich aufgeblüht bin und Frucht trage, auch nur einen winzigen Teil meines Hasses oder meiner Liebe aufgeben werde? Laßt mich, Bruder Cadfael«, fuhr sie mit sanfterer Stimme fort. »Ihr sorgt Euch um meine Seele, während ich mich nur um meinen Körper sorge.
    Er ist der einzige Himmel, den ich je gekannt habe, und hoffentlich der einzige, den ich je kennenlernen werde.«
    »Kommt herunter und bringt Iestyn mit«, sagte Bruder Cadfael einfach, »und ich verspreche Euch vor Gott, daß Eurem Kind jene Sorge zuteil werden soll, auf die jedes menschliche Wesen,
    das unschuldig in diese Welt hineingeboren wird, ein Recht hat. Ich werde unseren Ehrwürdigen Abt ersuchen, sich dafür einzusetzen.«
    Sie lachte. Es war ein frisches, wildes und doch verzweifeltes Lachen. »Dies ist nicht das Kind der Heiligen Mutter Kirche, Bruder Cadfael. Es gehört mir und Iestyn, meinem Mann, und niemand sonst soll es in den Schlaf wiegen oder für es sorgen.
    Doch ich danke Euch für die Güte, die Ihr meinem Sohn erweisen wollt. Aber wer weiß«, fuhr sie mit bitterem Spott fort, »ob dieses Kind überhaupt gesund und lebend zur Welt kommen wird? Ich bin alt, Bruder Cadfael, vielleicht zu alt, um einem Kind das Leben zu schenken. Vielleicht wird
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