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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster
Autoren: Ellis Peters
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tödlich gewesen. Aber Beringars Befehl war Susanna, trotz ihrer leidenschaftlichen Tirade, nicht entgangen. Sie stieß, eher aus Wut als aus Angst, einen Schrei aus, sprang auf, und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor die Luke, um den Körper ihres Geliebten zu decken.
    Beim ersten Schrei hatte Liliwin Rannilt vorwärtsgestoßen und war aufgesprungen, um sich zwischen sie und die Gefahr zu stellen. Iestyn sprang auf ihn zu; der gezückte Dolch reflektierte die Sonnenstrahlen und ließ Lichtpunkte auf dem Dach des Stalls tanzen. Die Klinge zielte auf Liliwins Herz, als Susannas Schrei Iestyn innehalten und erschauern ließ. Er bäumte sich auf wie ein Pferd, das in vollem Lauf gezügelt wird, und die Spitze des Messers fuhr ungezielt nieder und ritzte Liliwins Unterarm. Einige Blutstropfen fielen ins Heu.
    Sie sank in sich zusammen wie ein Schneemann bei Tauwetter. Die Wucht des Pfeils, der sie in der linken Brust getroffen hatte, hatte sie herumgerissen, und nun brach sie langsam zusammen. Ihre Hände umklammerten den Schaft des Pfeils, und ihre weitaufgerissenen, umwölkten Augen waren auf ihren Geliebten gerichtet, für den der Pfeil bestimmt gewesen war. Liliwin, der benommen zusah, wie Iestyn zu ihr eilte und sie in die Arme nahm, sagte später, sie habe gelächelt. Aber seine Erinnerungen waren wirr und durcheinander und was ihm hauptsächlich im Gedächtnis haften geblieben war, war der schreckliche Schrei der Verzweiflung und des Schmerzes, von dem der Stall widerhallte. Das Messer wurde beiseite geschleudert und blieb zitternd in den Bohlen des Bodens stecken. Wehklagend fing Iestyn seine Geliebte auf und sank mit ihr zu Boden. An dem senkrecht aufragenden Schaft des Pfeils vorbei versuchten sie sich zu umarmen, und an ihren letzten Kuß erinnerte sich Liliwin sein Leben lang mit Schmerz und Mitleid.
    Liliwin erwachte aus seiner Benommenheit, weil er rasch handeln mußte. Er nahm Rannilt an der Hand, zog sie von dem Gitterfenster, das sie nun nicht mehr brauchten, fort und ließ sie hinter sich die Leiter hinuntersteigen. Unten stampften die gesattelten Pferde auf – der Lärm der Nacht hatte sie unruhig gemacht. Liliwin mußte all seine Kraft aufbringen, um die schweren Balken, mit denen die Tür verriegelt war, hochzuheben. Die Morgensonne beschien nur sein Gesicht, als er die schweren Türflügel aufstieß und Rannilt hinausführte.
    Als sie hinaustraten, stürmten die Männer des Sheriffs in den Stall. Liliwins und Rannilts Aufgabe war erledigt. Mit einem Dankgebet schloß Bruder Cadfael sie in die Arme und geleitete sie zu einer kleinen, grasbewachsenen Erhebung, wo sie sich dankbar niedersetzten und die Maienluft tief einsogen.
    Langsam wandten sie sich einander zu, sahen sich an und lächelten, als seien sie gerade aus einem Traum erwacht.
    Glücklich sanken sie sich in die Arme.
    Hugh Beringar hatte die Leiter als erster erreicht und stieg zum Heuboden hinauf. Sein Unteroffizier folgte ihm auf den Fersen. Der Streifen Sonnenlicht war heller und breiter geworden und blendete die Männer, die aus dem Zwielicht des Stalles hinaufstiegen. Iestyn kniete am Boden und hielt Susanna zärtlich in seinen Armen. Der Pfeil hatte sie durchbohrt, seine Spitze war an der Schulter wieder ausgetreten. Über ihren Augen lag bereits ein Schleier, als sei sie dabei einzuschlafen, aber sie wandte ihren Blick nicht vom Gesicht ihres Geliebten ab, das zu einer Maske des Schmerzes und der Verzweiflung erstarrt war. Als der Unteroffizier seine Hand auf Iestyns Schulter legen wollte, winkte Hugh ihn fort.
    »Laßt ihn«, sagte er leise. »Er wird nicht versuchen zu fliehen.« Für ihn gab es keine Zukunft mehr, keinen Ort, zu dem er hätte fliehen können, und niemanden, der ihn begleitet hätte.
    Alles, was er liebte, lag in seinen Armen und würde nicht mehr lange bei ihm sein.
    Ihr Blut war an seinen Händen, auf seinen Lippen und Wangen, mit denen er sie verzweifelt liebkost hatte, als könne er damit alles ungeschehen machen. Er hatte jetzt aufgehört, sie zu küssen; er kauerte nur bei ihr, hielt sie in seinen Armen und sah, wie ihre Lippen versuchten, die Worte zu formen, mit denen sie alle Schuld auf sich nehmen und ihn freisprechen würde. Aber es gelang ihr nicht, und dann hörten die Lippen auf sich zu bewegen. Ihre glasigen grauen Augen blickten starr und leer.
    Erst jetzt legte Beringar ihm die Hand auf die Schulter. »Sie ist tot, Iestyn. Laßt sie und kommt mit uns. Ic h verspreche Euch, daß sie
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