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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster
Autoren: Ellis Peters
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uns sterben wird, und für ihren Tod tragt Ihr die Verantwortung.«
    »Das sagt Ihr, und Ihr nehmt den Mund reichlich voll! Eure Frau ist vielleicht nicht so erpicht darauf, zu töten oder zu sterben. Habt Ihr sie schon gefragt? Oder seid Ihr es, der zu bestimmen hat? Kommt her, Meister Aurifaber«, rief Beringar und winkte. »Kommt und sprecht mit Eurer Tochter. Es ist noch nicht zu spät – vielleicht hört sie auf Euch.«
    Er wollte sie reizen, er wollte, daß sie beide an die Luke kamen,
    um ihren Belagerern ihre Verachtung entgegenzuschleudern, und ihre Gefangene unbeaufsichtigt ließen. Nichts übereilen, nichts übereilen, dachte Cadfael und biß sich auf die Fingernägel. Der Junge braucht noch ein paar Minuten…
    Vorsichtig arbeitete Liliwin sich durch das Heu vor. Er hatte Angst, der würzige Staub, der ihm in die Nase stieg, könne ihn niesen lassen und ebensosehr fürchtete er, ein zu lautes Rascheln könne seine Anwesenheit verraten. Irgendwo vor sich und ganz nahe jetzt hörte er das Rascheln von Rannilts Bewegungen, und er betete, es möge die Geräusche überdecken, die er selbst machte. Bald darauf sah er, als er durch das Heu spähte, die Umrisse ihres zusammengesunkenen Oberkörpers gegen das bleiche Morgenlicht. Behutsam vergrößerte er den Tunnel, den er gemacht hatte, damit er sie an seine Seite ziehen und an sich vorbeikriechen lassen konnte, so daß sie die Öffnung an der Rückseite des Stalls als erste erreichte. Iestyn lehnte sich gerade hinaus und schrie wütende Verwünschungen und Drohungen, sah sich aber nicht um.
    Wo die Frau war, konnte Liliwin weder hören noch sehen, denn sie schwieg. Aber wenn die dort draußen die richtigen Worte fanden, mußte zumindest die Hälfte ihrer Aufmerksamkeit bei ihrem Geliebten sein. Und hier auf dem Heuboden war es glücklicherweise noch immer dunkel.
    Seine Hand tastete sich vor und fand Rannilts nackten Unterarm. Sie zuckte zus ammen, machte aber kein Geräusch, und einen Augenblick später hatte er ihre Hand genommen und drückte sie. Da erkannte sie ihn. Sie stieß einen leisen, tiefen Seufzer aus und erwiderte den Druck seiner Hand. Sanft zog er sie zu sich, und Zoll für Zoll kroch sie näher und in die Höhlung im Heu, die er für sie gemacht hatte. Sie war jetzt neben ihm.
    Eine dünne Schicht Heu verdeckte ihn, und auch sie war bereits zur Hälfte im Heu verschwunden. Susanna und Iestyn ahnten noch immer nicht, was sich hinter ihrem Rücken abspielte. Liliwin schob Rannilt weiter – sie sollte die Öffnung und das Seil als erste erreichen, während er auf Susanna und Iestyn achtete. Die Stimmen vor dem Stall klangen laut und fordernd, und Iestyn, der vor Wut und Müdigkeit außer sich war, antwortete mit Beleidigungen. Plötzlich rief Susanna, die glücklicherweise anscheinend neben ihrem Geliebten stand:
    »Ihr Toren, glaubt Ihr vielleicht, daß es auf Erden noch eine Macht gibt, die uns trennen kann? Ich stehe zu Iestyn wie er zu mir steht, ich verachte Eure Versprechen und Drohungen ebensosehr wie er. Ihr wollt, daß mein Vater mit mir redet? Nun gut, er soll hören, was ich ihm schulde und was ich ihm wünsche. Von allen Menschen hasse ich ihn am meisten! Er hat mich zu einem wertlosen Ding gemacht, und so habe ich auch für ihn keine Verwendung mehr. Ob er es wohl wagt, zu sagen, ich sei nicht mehr seine Tochter? Ich bin es, die sagt, daß er nicht mehr mein Vater ist, daß er mir nie ein Vater war.
    Mag man ihm in der Hölle geschmolzenes Gold in den Rachen gießen, bis seine Kehle und sein Bauch zu Asche verbrannt sind…«
    Während sie diese Worte hinabschleuderte, mit einer Stimme,die so metallisch und schneidend klang wie ein Schwert, schob Liliwin Rannilt durch den Tunnel im Heu auf die Öffnung und das Seil zu. Alle Vorsicht war jetzt vergessen, denn wenn sie diesen Augenblick nicht nutzten, war vielleicht alles verloren.
    Es war Iestyns feines Ohr, dem, trotz Susannas lautstarkem Wutausbruch, das plötzliche heftige Rascheln des Heus nicht entging. Er fuhr herum, stieß, als er Liliwin sah, einen Wutschrei aus und sprang auf, um den Fluchtversuch zu vereiteln. Der erste Sonnenstrahl, der durch die Luke fiel, ließ eine Messerklinge aufblitzen.
    Beringar verstand sofort, was das zu bedeuten hatte.
    »Schießt!« rief er, und Alcher, dessen Ziel jetzt von der Sonne beleuchtet war, ließ seinen Pfeil von der Sehne schnellen. Er war für Iestyns Brust bestimmt gewesen und wäre, hätte er den Rücken getroffen, nicht weniger
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