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Zirkusluft

Zirkusluft

Titel: Zirkusluft
Autoren: Matthias P. Gibert
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konnte die hellen Punkte der Straßenlaternen erkennen. In seinem Kopf dröhnte und fiepste es abenteuerlich, und noch immer war er von der Angst beseelt, der Killer könnte neben ihn treten und ihn erschießen. Außerdem fragte er sich, was wohl aus dem jammernden Zeislinger geworden war.
    Dann wurde er umgestoßen und landete mit dem Gesicht im feuchten Gras. Seine Arme wurden nach hinten gerissen und zusammengebunden. Lenz ließ es widerstandslos geschehen, weil er wusste, dass der Mann, der ihm eben mit der Waffe in der Hand gegenübergestanden hatte, sich diese Mühe nicht machen würde.
    Nach etwa zwei Minuten, während denen er regungslos dagelegen hatte, bemerkte der Kommissar eine Hand auf seiner Schulter. Er öffnete die Augen und sah schemenhaft Hains Gesicht, neben dem noch immer Blitze zu tanzen schienen. Der Mund seines Kollegen bewegte sich, seine Arme fuchtelten hektisch auf und ab, doch für Lenz war das alles ein Stummfilm. Dann waren seine Hände plötzlich frei, und jemand half ihm, sich auf die Seite zu legen. Hain, der noch immer neben ihm kniete, lächelte ihn an. Lenz wollte zurücklächeln, doch vorher wurde er bewusstlos.

39
    Es war wie in einem dieser amerikanischen Filme. Lenz lag auf einer Trage und wurde einen langen Flur entlanggeschoben . Über seinem Kopf wechselten sich Neonlicht und dunkle Phasen ab. Der Geschmack in seinem Mund war grausam, die Kopfschmerzen fürchterlich. Links neben ihm ging eine Krankenschwester, rechts ein Mann, der wie Thilo Hain aussah. Schmerzhaft wurde ihm bewusst, dass er noch immer der Zuschauer eines Stummfilms war.
    Die Trage folgte einer 90-Grad-Kurve und stoppte vor einer Schiebetür. Lenz legte den Kopf nach rechts und sah in Thilo Hains Gesicht. Der junge Oberkommissar griff nach seiner Hand, tätschelte sie und sagte etwas, das wie ›Wird schon wieder‹ aussah. Nun erschien ein ernst dreinblickender Mann in einem weißen Kittel auf der Bildfläche und stellte der Krankenschwester offensichtlich ein paar Fragen. Dann wurde es wieder schwarz um Lenz.

     
    Als er die Augen öffnete und aus dem Fenster sah, tanzten Schneeflocken durch die kahlen Äste eines Baumes. Irgendwo klapperte Geschirr, und der unverwechselbare Geruch von Krankenhaus stieg ihm in die Nase. Neben dem Bett, in dem er lag, stand ein Apparat, der ein rhythmisches Piepen von sich gab. Mein Herzschlag, dachte Lenz. Er versuchte sich zu erinnern, doch es kamen ihm nur Bruchstücke in den Sinn: der Zirkus. Erich Zeislinger mit einer Pistole am Kopf, der Schmerz.
    Jetzt ging leise die Tür auf, und eine weiß gekleidete Frau mit einer Kladde in der Hand trat in den Raum. Als sie seine offenen Augen sah, fing sie an zu lächeln.
    »Schön, dass Sie aufgewacht sind. Dann hole ich gleich den Arzt.«
    Lenz nickte. Sie verließ das Zimmer, kam keine Minute später mit einem Mediziner im Schlepptau zurück und stellte sich ans Fußende des Bettes. Der Arzt gab Lenz die Hand, stellte sich als Doktor Lang vor, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte er.
    Der Polizist schloss kurz die Augen und zuckte mit den Schultern.
    »Benebelt. Aber im Gegensatz zu meiner letzten Erinnerung kann ich sehen und hören. Das macht mich ziemlich glücklich.«
    »Schön«, bestätigte Dr. Lang. »Wir haben erwartet, dass diese Funktionen zurückkehren, allerdings waren wir uns über die Dauer der Ausfälle nicht im Klaren.«
    Lenz ließ seinen Blick durch das Krankenzimmer wandern.
    »Soweit ich es erkennen kann, funktioniert das Sehen gut. Das Hören ist noch etwas in Watte gepackt.«
    »Kein Problem, auch das wird sich nach meiner Meinung geben. Vielleicht dauert es aber ein paar Tage.«
    »Damit kann ich leben. Meine Erinnerung ist bruchstückhaft, wird sich das auch geben?«
    »Bestimmt. Vielleicht sollten Sie ja froh sein, wenn Sie sich nicht an alles, was Sie vorgestern Nacht erlebt haben, erinnern können.«
    Der Kommissar sah ihn erstaunt an. »Vorgestern Nacht?«
    »Wir hielten es für angebracht, Sie für eine gewisse Zeit aus dem Verkehr zu ziehen, um es Ihrem Körper zu ermöglichen, zu regenerieren. Seitdem haben Sie geschlafen.«
    » Wow «, machte Lenz. »Was hat mir denn gefehlt?«
    »Nach meinen Informationen waren Sie der Explosion einer Blendgranate ausgesetzt. Zudem wurden Sie mit einem Gemisch aus Reizgas, Xenon und Äther betäubt. Das ist für den menschlichen Organismus ein Frontalangriff. Außerdem bestand für eine gewisse Zeit der Verdacht, Sie
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