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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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    Noch diesen Sommer …
    »Liebe Trauergemeinde!«, sagt Georg und klopft mit einem Messer gegen sein Glas.
    Überrascht blicken unsere Freunde auf. Lala, Kristin, Susanne, Heiner, Daniel, Katja, Markus, Bene und Paul, alle unsere Liebsten sind da. Es ist jetzt ganz still in der »Henne«, einer kleinen Eckgaststätte in Kreuzberg, die sich nach ihrer Spezialität benannt hat: knusprige Brathähnchen. Peinlicherweise hat die ganze Kneipe ihre Gespräche unterbrochen. Georgs bester Freund Christian vergisst sogar, den Hähnchenflügel aus dem Mund zu nehmen. Genau in diesem Moment trägt die Kellnerin ein großes Tablett mit Sektgläsern heran.
    Georg wartet, bis die Gläser verteilt sind und die Kellnerin seltsam blinzelnd wieder hinterm Tresen verschwindet, wo sie so tut, als würde sie die Zapfhähne polieren.
    »Liebe Freundinnen, liebe Freunde, wir sind nicht nur hier, um uns anlässlich unserer Geburtstage, die der liebe Gott wie durch ein Wunder auf denselben Tag hat fallen lassen …«
    Am Tisch das erste Gekicher.
    »… um uns anlässlich unserer Geburtstage und angesichts der traurigen Tatsache, dass wir zusammen schon siebzig werden, höllisch zu besaufen …«
    Schon etwas lauteres Lachen.
    »… nein, wir haben euch auch etwas mitzuteilen.«
    Das Gelächter bricht ab. Alle Blicke am Tisch richtensich auf mich, genauer gesagt, auf meinen Bauch, der aussieht, wie er nach einem Brathähnchen und zwei großen Bieren immer aussieht: nach vier Hähnchen und sechs Bier. Augenbrauen heben sich. Einige am Tisch grinsen. Isabell, die bereits zwei Kinder hat, zwinkert mir verschwörerisch zu. Verzweifelt schüttle ich den Kopf und nehme demonstrativ einen großen Schluck aus meinem Sektglas: Seht ihr? Ich trinke Alkohol! Alkohooool ! Aber eigentlich hatte ich genau das erwartet: Alle denken, ich wäre schwanger. Nur weil in unserem erweiterten Freundeskreis inzwischen jede zweite Frau trächtig ist oder bereits geworfen hat, zum Teil sogar mehrfach. Die Sache grassiert wie ein hochgradig ansteckendes Virus, mit einem Schlag liegt halb Kreuzberg auf Lammfelldecken vom Biomarkt am Kollwitzplatz und grinst debil. Und sabbelt von U-7-Untersuchungen. Und davon, dass es auch Vorzüge hat, mal ein paar Monate lang keinen Alkohol zu trinken. Großes Thema sind auch Wimmelbücher, je nach Alter der Brut. Anlass zum Heiraten ist die erfolgreiche Fortpflanzung jedoch für niemanden. Wir sind die Ersten, die ihre Verlobung kundtun werden, jetzt gleich und hier.
    »Zwei gute Nachrichten.«
    Erschrocken blicke ich auf. Zwei? Was soll denn die zweite sein? Entsetzt schiele ich auf Georgs Bauch. O ja, da wölbt sich was, aber das sind doch wohl bitte die zwei halben Brathähnchen mit Kartoffel- und Krautsalat, die er gerade verdrückt hat?
    »Die erste ist: Ich wurde heute befördert, zum Leiter des Politik-Ressorts!«
    Verhaltener Applaus. Nur ich springe auf, denn Georg hat mir bislang kein Wort davon verraten.
    »Wie? Was? Warum? Seit wann weißt du denn das, warum hast du nichts gesagt?«, flüstere ich atemlos.
    Georg erklärt leise, aber ob der gelungenen Überraschung triumphierend, dass sein ihm verhasster Chef heute fristlos entlassen worden sei und man die freie Stelle sofort ihm angeboten habe.
    »Das ist ja toll!«, quieke ich und falle ihm in die Arme. Aber dann spüre ich Blicke im Rücken. Unsere Freunde scheinen zu ahnen, dass das noch nicht alles war. Der ganze Tisch schaut uns an. Die ganze Kneipe schaut uns an. Sogar die Kellnerin fängt erst wieder an, sich den Zapfhähnen zu widmen, als ich sie mit dem vernichtenden Blick versehe. Ich beeile mich, den Bauch einzuziehen, grapsche mir mein Glas und leere es in einem Zug.
    »Die andere Sache ist«, sagt Georg und erhebt noch einmal die Stimme, »wir haben uns verlobt.«
    Am Tisch: verständnislose Blicke. Auch das habe ich geahnt: »Verlobung« ist ein Begriff, mit dem keiner unserer Freunde etwas anfangen kann. Georg holt Luft, hebt sein Glas und klärt die Sache auf:
    »Wir werden heiraten! Noch diesen Sommer!«

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    Eine Woche zuvor …
    Eigentlich hatte ich ja immer gedacht, ich würde einen Lachanfall kriegen, sollte jemals ein Mann vor mir niederknien und um meine Hand anhalten. Genau genommen kam mir allein der Gedanke ans Heiraten schon albern vor. Ich und ein Mann und für den Rest meines Lebens? Bis dass der Tod uns scheide? Ich hielt ja nicht mal eine Diät durch, geschweige denn eine längere Beziehung. Männer, die bei mir bleiben
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