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Zirkusluft

Zirkusluft

Titel: Zirkusluft
Autoren: Matthias P. Gibert
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die ins Hauptzelt führten. Gegenüber sah er die Merchandisingabteilung, wo zwei Mädchen in ein angeregtes Gespräch vertieft waren.

     
    Lenz knöpfte seinen Mantel auf, weil er noch immer schwitzte. Für einen Moment herrschte absolute Stille im Vorstellungszelt, und nun nahm er zum ersten Mal die dicken, schwarz-roten, flexiblen Rohre wahr, die an den Zeltwänden entlangliefen. Jetzt brandete wieder tosender Beifall auf. Er ging auf die Zeltwand zu, beugte sich hinunter zu dem Schlauch, der sich pulsierend bewegte, und berührte die Hülle. Erschreckt zog er die Hand zurück, weil er sich leicht verbrannt hatte. Wieder war Stille im Zelt. Für einen Augenblick hörte er das Rauschen aus dem Rohr. Und ihm klangen die Worte des BKA-Physikers aus Wiesbaden im Ohr.
    Der Attentäter braucht eine Lüftungsanlage zur Verteilung des Strontiums.
    Er sprang hoch, rannte zur rechten Theke und baute sich vor der Bedienung auf.
    »Was passiert in diesen Rohren?«, schrie er die Frau an.

35

     
    »Typen gibt’s«, raunte Kommol kopfschüttelnd und sah dem Mann hinterher. »Soll er doch pünktlich kommen, dann kann er auch alles sehen, was er bezahlt hat.«
    »Genau«, bestätigte Gunnar Heilmann. »Erst den Arsch nicht in Gang kriegen, und dann noch was raushaben wollen.« Er schickte dem Besucher, der gerade um die Ecke gebogen und im Verbindungsgang zur Cafeteria verschwunden war, einen ausgestreckten Mittelfinger hinterher.
    »Gibt’s solche Typen öfter?«, wollte Kommol von seinem Chef wissen.
    »Zum Glück nicht. Und jetzt ist es 20 Uhr, da hat sich unser Auftrag erledigt. Wir müssen so lange hier stehen und die Zuspätgekommenen umbuchen, dann können wir uns unseren anderen Aufgaben widmen.«
    Kommol schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
    »Mann, das hätte ich ja beinahe vergessen. Gestern hat mich Natascha angerufen. Sie ist schon in Deutschland.«
    Heilmann machte große Augen. »Geil. Und wann kommt sie nach Kassel?«
    »Nächsten Montag.«
    »Was? In drei Tagen schon? Das wird ja immer besser!«
    Kommol beugte sich näher an Heilmann heran. »Und sie hat sich extra frisch rasiert für dich, mein Freund«, flüsterte er ihm ins Ohr.

     
    Ein paar Minuten später hatten die beiden ihren Kontrollgang ums Zelt beendet.
    »Ich könnte einen Cognac vertragen, was meinst du?«, schlug Kommol vor. Heilmann verzog das Gesicht zu einem Grinsen und machte eine zustimmende Kopfbewegung. »Aber nur einen kleinen, sonst gibt’s am Ende Ärger mit dem Alten. Wir können ja später, wenn die Premiere gut gelaufen ist, noch einen richtigen Zug durch die Gemeinde machen.«
    »Gerne, aber jetzt hätte ich schon gerne einen kleinen, weil mir so scheißkalt ist.«
    Heilmann setzte sich in Bewegung, Kommol folgte ihm. Kurz, bevor sie den Heizcontainer erreicht hatten, nahm der Sicherheitschef seinen Schlüsselbund aus der Tasche, kramte nach dem passenden Schlüssel und schloss die Tür auf. Im Innern war es jetzt noch lauter als während ihrer Besichtigung vor ein paar Tagen, weil die Heizung unter voller Belastung arbeitete. Kommol trat hinter Heilmann, der das Licht einschaltete, in den Container, und zog die Tür zu.

     
    Gunnar Heilmann hatte keine Chance. In dem Moment, in dem er sich nach unten beugte, um den kleinen Schrank mit der Cognacflasche darin zu öffnen, schlug das Projektil in seinem Hinterkopf ein und riss ihm die Hälfte des Gesichts weg. Er starb ohne ein Geräusch, ohne eine Abwehrbewegung. Den leisen Knall der Patrone aus der schallgedämpften Heckler & Koch USP Tactical hörte er schon nicht mehr. Kommol gab dem Sterbenden einen Tritt, sodass er nach vorne kippte. Dabei fiel der Schlüssel, der sich noch immer in Heilmanns Hand befunden hatte, zu Boden und in die sich schnell ausbreitende Blutlache. Mit einer raschen Bewegung griff der Killer nach dem Bund, nahm ihn vorsichtig hoch und schüttelte die rote Flüssigkeit ab. Seine Augen suchten nach einem Tuch und wurden in einer Ecke fündig. Dort lag ein alter öliger Lappen. Damit wischte er oberflächlich das Blut ab und warf den Stofffetzen zurück auf den Boden. Danach betrachtete er noch einmal verächtlich den Leichnam von Heilmann, knipste das Licht aus, öffnete die Tür einen Spalt und sah hinaus. Auf dem Platz und vor dem Zelt war alles ruhig. In etwa 30 Minuten begann die Pause, bis dahin allerdings würde er Kassel längst verlassen haben.

     
    Er schlüpfte durch die Tür, schloss von außen ab und ging an der Längsseite des
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