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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
Autoren: Martin Clauß
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Sie?“, erkundigte sich Artur, und gleichzeitig mit seiner Frage, sagte der andere: „Bitte führen Sie mich. Ich kann nichts sehen.“
    Artur warf einen verstohlenen Blick unter die Kapuze und erkannte graue Haut, eingefallen, trocken. Ein paar weiße Bartstoppeln in den Mundwinkeln, aber ein glattrasiertes faltiges Kinn in einem hageren Gesicht. Jetzt fiel ihm auf, dass die Kuttenträger alle sehr schlank zu sein schienen. Unter keiner der Kutten zeichnete sich ein Bauch ab.
    „Haben Sie ein Gespräch vereinbart?“, fragte Artur weiter. „Mit dem Rektor? Mit Herrn Hotten? Wenn nicht, dann sollte ich ihn vielleicht zuerst … Also, wissen Sie, es ist kein guter Zeitpunkt.“
    Der Mann antwortete nicht, stand nur da wie eine Statue, hatte den rechten Arm ein wenig angewinkelt und wartete lange Zeit geduldig ab.
    Bis Artur endlich seufzend seinen Unterarm ergriff und ihn durch die Halle nach links in den Seminarraum führte.

3
    „Kommen wir zu deinem Traum zurück“, sagte Margarete. „Wie ging er weiter? Hast du darin Falkengrund betreten?“
    Melanie nickte. „Im ersten Stock flackerte Licht, und ein paar junge Leute hielten sich dort auf – ein Kamerateam. Sie waren dabei, irgendwelche Aufnahmen zu machen. Ich … kam mir selbst ein bisschen vor wie in einem Film – diese harten Kontraste … wie ein … ein Film während der Entwicklung.“ Sie lauschte ihren eigenen Worten nach und fand, dass sie erstaunlich gut passten. Sie wusste rein gar nichts über die Entwicklung von Filmen, aber sie hatte nach einem Vergleich gesucht, der ihre Erfahrung illustrierte. Und für sie machte die Beschreibung Sinn. Ein Film in der Entwicklung. Sie mittendrin. Und doch irgendwie kein Teil davon.
    „Und dann“, sie betrachtete den Rektor und die beiden Dozentinnen aufmerksam, „bin ich den Flur nach hinten durch gegangen, an den ganzen Türen vorbei, an dem Zimmer vorbei, wo ich jetzt wohne … bis zum letzten Raum auf der linken Seite.“
    Ein Gedanke unterbrach sie. War nicht vor einer Minute irgendetwas vorgefallen? Artur hatte den Raum verlassen. Er war jemandem gefolgt, nicht wahr? Sie konnte sich kaum daran erinnern. Es war so verschwommen. Ihr Traum stand deutlicher in ihrem Gedächtnis als die letzten Minuten der Realität.
    „Du warst vor Lorenz von Adlerbrunns Zimmer?“ Margarete fragte das. „Ist dir dort etwas aufgefallen? Irgendetwas?“
    Melanie nickte zögernd. „Die Tür war nicht geschlossen. Nicht in meinem Traum.“ Sie kniff die Augen ein wenig zusammen, beobachtete mit großem Interesse, wie sich die Körper der Dozenten versteiften. „Ich glaube, es gab nicht einmal eine Tür.“
    „Du hast also Lorenz gesehen“, schnaufte Werner Hotten. „Melanie, warum hast du uns das nicht schon früher erzählt? Es hätte wichtig sein können.“
    „Es hat nichts mit dem Geist zu tun, der jetzt dort wohnt“, behauptete sie. „Ich habe nicht den Baron von Adlerbrunn gesehen, sondern …“ Ja, was hatte sie gesehen? Das Paradies? „Es war ein riesiger heller Raum, mit weißen Regalen und mit einer Art Menschen, die schwerelos durch die Luft trieben, langgezogene Gestalten, wie Engel oder Außerirdische. Und in den Regalen lagen – oder schwebten – flache runde Dosen. Wie …“ Sie musste unwillkürlich lachen, prustete regelrecht. „Wie F-filmdosen.“
    „Filmdosen?“ Traude Gunkel wiederholte das Wort.
    „Ja.“ Melanie sah sie grinsend an, während die Wellen ihres kleinen Lachanfalls allmählich in ihr verebbten. „Verrückt, was?“
    Das Gesicht der Dozentin wurde unter dem unverschämten Grinsen noch finsterer. „Herr Hotten“, sprach sie den neben ihr sitzenden Rektor an, den sie die meiste Zeit zu ignorieren vorzog, weil er in ihren Augen kein Akademiker war. „Hielt sich zu dem Zeitpunkt, als Frau Kufleitner ihren Unfall hatte, ein Filmteam im Schloss auf?“
    Werner verneinte rasch.
    „Und zu einer anderen Zeit? Früher oder …“
    Traude Gunkel wurde unterbrochen, als eine der Studentinnen einen Schrei ausstieß.
    Die Tür, die in die Halle führte, stand offen, seit Artur hinausgerannt war. Jetzt kam eine Gestalt langsam durch diese Tür, an der Hand geführt von einem sehr betreten aussehenden Artur Leik.
    Der Fremde, dessen Gesicht bis auf den Mund völlig unter der Kapuze seiner roten Kutte verschwand, hielt auf Madoka zu. Diese wich ihm schließlich aus, als er ihr zu nahe kam. Artur blieb stehen, und der Fremde tat es ihm gleich.
    „Wer sind Sie? Was wollen Sie?“
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