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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
Autoren: Martin Clauß
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konzentrieren.
    Madoka begann zu sprechen. „Melanie hat mir vorgeworfen, sie angegriffen und ihr damit gedroht zu haben, sie zu ermorden. Bisher habe ich mich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Aber jetzt tue ich es: Sie hat recht.“
    Im Seminarraum hätte man das Fallen einer Stecknadel gehört, während sie redete. Melanie genoss das Gefühl, dass die Perspektive sich mit einem Mal veränderte. Nun würde tatsächlich Madoka in die Rolle der Angeklagten zu schlüpfen haben. Melanie musste sich zurückhalten, durfte nichts sagen, nicht einmal triumphierend schmunzeln. Es war am besten, den anderen das Reden zu überlassen.
    Wie erwartet brach auf die Eröffnung hin ein kleiner Tumult unter den Studenten aus, und Traude Gunkel und Margarete Maus baten in ungewohnter Einigkeit um Ruhe im Saal.
    Madokas Geständnis ging weiter. „Als ich Melanie dabei ertappte, wie sie sich in Margaretes Zimmer eingeschlichen hatte, warf ich sie zu Boden. Wir sprachen miteinander. Über Arturs Schutzengel, darüber, was er für uns beide bedeutete.“ Melanie schickte ihr einen Blick hinüber, den sie ignorierte. „Dann entdeckte ich etwas in ihren Augen.“ Ihre Stimme wurde sehr leise, die Anwesenden lauschten angestrengt. „Ja, in … oder hinter ihren Augen war etwas. Es löste etwas in mir aus. Ich sah es und … spürte den Drang, es zu vernichten.“
    Arturs Körper spannte sich, er war im Begriff aufzuspringen und drückte sich gewaltsam auf den Stuhl zurück.
    „Ich habe darüber nachgedacht, was es gewesen sein mag. Im Zusammenhang mit dem, was ich von meinem Bruder erfahren habe, habe ich eine Antwort auf diese Frage gefunden. Mein Vater, mein Bruder – und vielleicht noch andere Leute – beobachten mich … durch Melanie hindurch!“
    Werner schüttelte den Kopf, einige der Studenten taten dasselbe.
    Madoka interessierte nicht, dass man ihr nicht glaubte. Sie war noch nicht fertig. „Falkengrund wird ausspioniert“, flüsterte sie. Auf ihrer Stirn glitzerte ein großer Schweißtropfen wie eine Perle, ein ungewöhnliches Bild. „Vielleicht weiß Melanie wirklich nichts davon, aber sie ist das Werkzeug – damals, als sie den Unfall hatte, scheint etwas mit ihr geschehen zu sein. Wir werden beobachtet, und es muss unser Anliegen sein herauszufinden, wer alles dahintersteckt und wem das Interesse dieser Leute gilt. Ich vermute, dass ich nicht die einzige bin, die ausspioniert werden soll …“
    Aha , dachte Melanie. Jetzt versucht sie Furcht unter den Bewohnern von Falkengrund zu säen. Das Angstmachen ist ihre Stärke.
    Es sah so aus, als wollte Madoka ihre kleine Rede noch fortsetzen, doch sie kam nicht mehr dazu. In den Reihen der Studenten stieß jemand einen Schrei aus und stürzte zur Tür.
    Alle Anwesenden sahen der Person nach.
    „Dorothea!“, schrie Artur. „Dorothea Kayser!“
    Er, der neulich gemeinsam mit Madoka hinter das Geheimnis der unsichtbaren Studentin gekommen war, konnte sie jetzt einordnen. Er hatte sie in den letzten Tagen beobachtet und sich daran gewöhnt, dass ihr Gesicht, ihre Haar- und Augenfarbe nicht in seinem Gedächtnis blieben. Mittlerweile erkannte er sie einfach daran, dass er sie nicht erkannte. Die anderen schienen sich dieser Besonderheit nicht bewusst zu sein, wie sie vorher auch Artur nie aufgefallen war. Sie war wie der blinde Fleck im Auge, den man mit speziellen Experimenten sichtbar machen musste, um ihn überhaupt wahrzunehmen.
    Dorothea (da, sie hatte blonde, halblange Haare, nein, er war nicht sicher) rannte zur Tür, riss sie auf, stolperte hindurch. Eine Art Wimmern war aus ihrem Mund zu hören. Madokas Angstmache schien bei ihr angeschlagen zu haben. Aber warum ausgerechnet bei ihr? Und warum brach sie gleich in solche Panik aus?
    Mehrere der Studenten sprangen auf, doch Artur war der einzige, der Dorothea tatsächlich verfolgte. Bei den anderen schien der Vorfall einen weniger starken Eindruck zu hinterlassen, denn als sie sahen, wie Artur ihr nachlief, ließen sie sich wieder auf ihren Stühlen nieder. Die Tarnung der Studentin war beeindruckend und als Phänomen völlig ungreifbar, unverständlich. Hatte es etwas mit Magie zu tun, ein Zauber, mit dem sie auch die Aufgewecktesten unter ihnen an der Nase herumführte, oder war es eine persönliche Fähigkeit von ihr, eine Art … Superkraft vielleicht? Er musste an die Tarnkappe aus der Nibelungensage denken, während er durch die Halle jagte.
    Er konnte noch sehen, wie die Studentin durch die Tür verschwand,
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