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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin
Autoren: Bruce Sterling
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könnte. Aber auch sie wird beträchtlich später Plünderern zum Opfer fallen.«
    »Das ist Wahnsinn!« sagte Watunan.
    Bagayoko zwirbelte eine lehmverkrustete Haarlocke zwischen den Fingern. »Euer Torwächter ist ein kräftiger Bursche, Manimenesch. Was haltet Ihr davon, wenn er dieser Sturmkrähe den Schädel einschlägt und ihren Leichnam den Hyänen zum Fraß vorwirft?«
    »Für diesen Vorschlag, Doktor«, sagte der Dulder, »erzähle ich Euch, auf welche Weise Ihr sterben werdet. Ein Leibwächter des Königs von Ghana wird Euch umbringen, während ihr versucht, dem Kronprinzen ein schleichendes Gift durch ein Schilfrohr in den After zu blasen.«
    Bagayoko zuckte zusammen. »Ghana hat gar keinen Kronprinzen, du Idiot!«
    »Er wurde gestern gezeugt.«
    Bagayoko wandte sich ungeduldig an den Gastgeber: »Entledigen wir uns dieses Wunderpropheten!«
    Manimenesch nickte düster. »Dulder, du hast meine Gäste und meine Stadt beleidigt. Du kannst von Glück reden, daß du mein Heim lebend verläßt!«
    Der Dulder richtete sich quälend langsam auf, bis er auf einem Bein stand. »Als dein Botenjunge mich holte, sprach er von deiner Großzügigkeit.«
    »Was? Nicht einen Kupferling für dein Gesabber!«
    »Gib mir einen der Gold-Dirhans aus deinem Beutel, oder du erfährst einige sehr persönliche Dinge über deine Zukunft!«
    Manimenesch dachte eine Weile nach. »Vielleicht ist es besser so.« Er warf Sidi eine Münze zu. »Gib das dem Wahnsinnigen und geleite ihn zurück zu seiner Narrenbude!«
    Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, bis der Wahrsager mit Gehumpel und Krückenknirschen endlich im Dunkel verschwand.
    Brüsk breitete Manimenesch die weiten roten Samtärmel aus und klatschte nach Wein. »Sing uns etwas vor, Khayali!«
    Der Dichter zog die Kapuze seines Umhangs über den Kopf. »Meine Schläfen dröhnen von einer furchtbaren Stille«, sprach er. »Ich sehe alle Wegzeichen verwischt, alle schönen und angenehmen Bilder in öde Wildnis verwandelt. Schakale hausen hier, Geister tollen umher, und Dämonen treiben ihr Unwesen. Die eleganten Hallen und reichen Schlafgemächer, die einst wie die Sonne leuchteten, sind nun überdeckt von Trostlosigkeit, erscheinen wie die weitaufgerissenen Rachen wilder Bestien.« Er warf einen Blick auf die Tanzmädchen, und Tränen standen ihm in den Augen. »Ich stelle mir vor, wie diese Schönen unter dem Staube liegen oder zerstreut werden in ferne Regionen und Länder, vertrieben von der Hand des Exils, in Stücke gerissen von den Fingern der Verbannung.«

 



Manimenesch bedachte ihn mit einem beruhigenden Lächeln. »Mein junger Freund«, sagte er, »wenn andere deine Lieder nicht mehr hören, diese Frauen nicht mehr umarmen oder den Wein hier nicht mehr trinken können, ist es ihr Schaden und nicht der unsere. Genießen wir deshalb alle drei und überlassen wir den Ungeborenen die Trauer!«
    »Dein Gönner ist weise«, sagte Ibn Watunan und klopfte dem Dichter auf die Schulter. »Du siehst ihn hier, von Allah überhäuft mit jedem Luxus, den es gibt. Und du sahst den schmutzstarrenden Irren, entstellt vom Aussatz. Jener Wahnsinnige, der große Weisheit zu besitzen vorgab, krächzte nur vom Verderben, während unser strebsamer Freund edle Bildung und die Künste fordert und dadurch die Welt verschönert. Könnte sich Gott von einer anmutigen Stadt wie dieser abwenden, nur damit die ekelhaften Prophezeiungen eines Narren in Erfüllung gehen?« Er hob seinen Becher Elfelilet entgegen und nahm einen langen Zug.
    »Aber das herrliche Audoghast!« schluchzte der Poet. »All seine Lieblichkeit – im Sande begraben!«
    »Die Welt ist weit«, sagte Bagayoko, »und die Jahre sind lang. Es steht uns nicht an, Unsterblichkeit zu heischen, nicht einmal, wenn wir Dichter sind. Aber tröste dich, mein Freund! Selbst wenn diese Mauern und Häuser einstürzen – es wird immer einen Ort wie Audoghast geben, solange die Menschen nach Gewinn streben. Die Goldminen sind unerschöpflich und die Elefanten so zahlreich wie Flöhe. Mutter Afrika wird uns stets mit Gold und Elfenbein verwöhnen.«
    »Immer?« fragte der Dichter hoffnungsvoll und rieb sich die Augen trocken.
    »Nun, ganz sicher wird es immer Sklaven geben!« sagte Manimenesch lachend und blinzelte. Die anderen stimmten in sein Lachen ein, und es herrschte wieder Frohsinn.
     
    Originaltitel: ›Dinner at Audoghast‹
    Copyright © 1985 by Davis Publications, Inc.
    (erstmals erschienen in ›Isaac Asimov's Science
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