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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin
Autoren: Bruce Sterling
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tiefe Zufriedenheit mit der Welt und dem Leben. Drunten auf dem Marktplatz jagten die Fledermäuse einer verlassenen Moschee nach Motten, die um die Laternen der Händler flatterten.
    Der Dichter rülpste, wie es sich geziemte, und nahm seine zweisaitige Gitarre auf. »Lieber Gott«, sprach er, »dies hier ist ein trefflicher Ort. Seht nur, Karawanenmeister, wie die Sterne auf unseren geliebten Südwesten herablächeln.« Er entlockte den Leopardendarmsaiten seines Instrumentes einen singenden Ton. »Ich fühle mich eins mit der Ewigkeit.«
    Watunan sah ihn an. »Wenn ich einem solchen Menschen begegne, muß ich ihn meist begraben.«
    »Aus Euch spricht der Geschäftsmann«, warf der Doktor ein. Er stäubte unauffällig eine Prise Gift auf seinen letzten Bissen und verzehrte ihn. Bagayoko machte sich immun gegen Giftstoffe. Das war er seinem Beruf schuldig.
    Von der Gasse jenseits der Mauer hörten sie das Klirren von Messingreifen. Der Torwächter rief: »Die Dame Elfelilet und ihr Gefolge, Herr!«
    »Heißt sie willkommen!« erklärte Manimenesch. Sklaven räumten das Geschirr ab und brachten eine samtene Liege nach draußen. Die vier Männer streckten die Hände aus. Andere Sklaven wuschen und trockneten sie gründlich.
    Elfelilet und ihr Gefolge kamen durch den Garten mit seiner Feigenbaumpracht: voran zwei Herolde, die vergoldete Stäbe mit schweren Messingreifen schüttelten; dann drei Tanzmädchen, junge Lehrkurtisanen, die über ihre bestickten Blusen und dünnen Baumwollhosen blaue Tuchumhänge geworfen hatten; und schließlich vier Sänftenträger, Sklaven mit mächtigen ölglänzenden Oberkörpern und schwieligen Schultern. Die Träger setzten die Sänfte mit einem unterdrückten Stöhnen der Erleichterung ab und öffneten die goldfarbenen Behänge.
    Elfelilet kam zum Vorschein, eine braunhäutige Frau mit schwarz geschminkten Augen und dünnen Golddrähten im hennaroten Haar. Ihre Handflächen und Fingernägel hatte sie rosa getönt. Sie trug einen bestickten blauen Mantel über einer raffinierten ärmellosen Weste und einer gestärkten, mit Myrobolane-Lack getränkten Seidenhose, die um die Knöchel gerafft war. Ein paar schwache Pockennarben an einer Wange betonten entzückend das breite, mondsanfte Gesicht.
    »Elfelilet, meine Teure!« sagte Manimenesch. »Du kommst gerade recht zum Nachtisch.«
    Elfelilet schritt graziös über den Fliesenboden und lagerte sich mit dem Gesicht nach unten auf das samtene Ruhebett, so daß die weithin gerühmte Schönheit ihres Hinterns besonders vorteilhaft zur Geltung kam. »Ich danke meinem Freund und Gönner, dem edlen Manimenesch. Mögest du ewig leben! Doktor Babayoko, der Wissensreiche – stets zu Euren Diensten! Hallo, Dichter!«
    »Hallo, Schätzchen!« Khayali winkte ihr mit der natürlichen Vertraulichkeit zu, die von altersher zwischen Poeten und Kurtisanen herrschte.
    »Und das hier ist unser geschätzter Gast, der Karawanenmeister Abu Bekr Ahmed Ibn Watunan«, stellte der Hausherr vor.
    Watunan, der die Frau mit entrücktem Staunen betrachtet hatte, erwachte mit einem Ruck aus seiner Erstarrung. »Ich bin ein einfacher Mann der Wüste«, meinte er. »Mir fehlt die Beredsamkeit des Dichters. Aber ich liege Euch zu Füßen.«
    Elfelilet warf lächelnd den Kopf zurück; an ihren langgezogenen Ohrläppchen klirrte schwerer Goldschmuck »Willkommen in Audoghast!«
    Das Dessert wurde aufgetragen. »Nun«, meinte Manimenesch, »unsere bisherigen Gerichte waren schlichte, rohe Genüsse, aber was die Nachspeisen betrifft, so tut es uns darin keiner gleich. Darf ich Euch mit diesen djouzinkat- Nußhappen in Versuchung führen? Und probiert unbedingt die Honigmakronen – ich glaube, es ist genug für alle da.«
    Alle – mit Ausnahme der Sklaven natürlich – kosteten die leichten, flockigen cataif -Makronen, die dick mit Kairwan-Zucker bestreut waren. Die Nußtörtchen schmeckten einfach unvergleichlich: mühevoll aus handgewässertem Weizen gemahlen, liebevoll mit Butter und Zucker verrührt und kunstvoll mit Rosinen, Datteln und Mandeln verziert.
    »Wir pflegen djouzinkat- Törtchen in Zeiten der Dürre zu essen«, sagte der Dichter, »weil die Engel vor Neid weinen, wenn wir sie verspeisen.«
    Manimenesch rülpste mit Urgewalt und rutschte sein Käppchen wieder zurecht. »Und nun laßt uns einen Schluck edlen Rebensaft genießen! Nur ein paar Tropfen, damit die Sünde gering bleibt und wir nicht zu große Almosen als Buße entrichten müssen. Anschließend
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