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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft
Autoren: Gregory Benford
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für sie frei. Gordon drängte es plötzlich, nach Markham zu rufen, ihn zu finden, ihn zum Abendessen einzuladen, den Mann nicht davonschlüpfen zu lassen. Aber irgend etwas hielt ihn zurück. Er fragte sich, ob dieses Ereignis, dieses zufällige Treffen, den Rahmen der Paradoxe bilden könnte – aber nein, das ergab keinen Sinn, der Bruch hatte 1963 stattgefunden, natürlich, ja. Dieser Markham war nicht der Mann, der im fernen Cambridge rechnen und argumentieren würde. Der Markham, den er gerade gesehen hatte, würde nicht bei einem Flugzeugabsturz sterben. Die Zukunft würde anders sein.
    Ein verblüffender Ausdruck zuckte über sein Gesicht, seine Bewegungen wurden hölzern.
    Sie begegneten dem Minister für Gesundheit, Erziehung und Soziales, einem Mann mit einer langen, sich verjüngenden Nase und einem spitzen Mund; beide zusammen bildeten ein fleischiges Ausrufezeichen. Der Diener führte sie alle zu einem kleinen Privataufzug, in dem sie unruhig nahe beieinanderstanden – innerhalb unserer persönlichen Grenzräume, stellte Gordon abwesend fest –, und der Minister gab polternde Einzeiler von sich, jeder einzelne mit dem Schliff eines Redenschreibers versehen. Gordon erinnerte sich, daß die Besetzung gerade dieses Kabinettspostens eine hochpolitische gewesen war. Die Aufzugstür öffnete sich und gab den Blick auf einen schmalen Korridor frei, der mit reglosen Leuten gefüllt war. Einige Männer bedachten sie mit eindeutigen Kontrollblicken, bevor ihr Blick wieder neutral wurde und ihre Köpfe sich wieder in die vorgeschriebene Richtung drehten. Sicherheitsbeamte nahm Gordon an. Der Minister führte sie durch einen engen Gang in einen größeren Raum. Eine kleine Frau, wie für einen Opernbesuch gekleidet, kam herbeigeeilt. Sie sah aus wie die Frauen, die, bevor sie sprechen, aus Gewohnheit die Hände auf ihre Perlenkette legen und tief Atem holen. Noch während Gordon das dachte, tat sie genau das und sagte: »Der Saal ist bereits voll, wir hätten nie gedacht, daß so früh schon so viele da wären. Ich halte es nicht für sinnvoll, Herr Minister, hier noch zu warten, da schon fast alle draußen sind.«
    Der Minister ging weiter. Marsha legte eine Hand auf Gordons Schulter. »Deine Krawatte sitzt zu eng. Du siehst aus, als wolltest du dich selbst erwürgen.« Mit gewandten Fingern lockerte sie den Knoten und zog ihn glatt.
    »Kommen Sie, kommen Sie«, drängte die Dame mit der Perlenkette. Sie gingen durch einen kahlen, keilförmigen Durchgang und traten plötzlich auf eine Bühne. Im Scheinwerferlicht bewegten sich Menschen, Stühle scharrten. Ein anderer Diener mit den absurden weißen Handschuhen nahm Marshas Arm. Er führte sie beide in den Lichtglanz. Drei Reihen Sessel standen dort, die meisten waren bereits besetzt. Marsha saß am äußersten Ende der ersten Reihe und Gordon neben ihr. Der Diener achtete darauf, daß Marsha sich sanft hinsetzte. Gordon ließ sich in den Sessel fallen. Der Diener verschwand. Marsha trug ein modisch kurzes Kleid. Ihre Bemühungen, den Rand über die Knie zu ziehen, nahmen seine Aufmerksamkeit in Anspruch. Es erfüllte ihn mit angenehmem Besitzerstolz, daß der üppig geschwungene Schenkel, der hier vor der Öffentlichkeit verborgen wurde, sein war, heute nacht für den Preis einer wortlosen Geste sein werden konnte.
    Gordon musterte die Gesichter, die er sehen konnte. War Markham dort draußen? Er suchte nach der richtigen Kombination von Gesichtszügen. Es war ihm aufgefallen, wie gleichartig die Menschen trotz ihrer zur Schau gestellten Individualität waren, und doch konnte das Auge schnell durch die Ähnlichkeiten dringen und die kleinen Details herausgreifen, die Bekannte von Fremden trennten. Jemand fiel ihm ins Auge. Er spähte durch das gleißende Licht. Nein, es war Schriffer. Amüsiert überlegte Gordon, was Saul wohl denken würde, wenn er wüßte, daß Markham wahrscheinlich nur wenige Meter entfernt war; eine nichtsahnende Verbindung zu der verlorenen Welt der Botschaften. Jetzt würde Gordon diese fernen Namen niemals mehr verraten. Es würde in die Presse kommen, alles verwirren, nichts beweisen.
    Nicht nur die Geheimhaltung der Identitäten ließ ihn zögern, seine vollständigen Daten zu veröffentlichen. Das meiste von dem, was er in seinen früheren Experimenten für Störungen gehalten hatte, waren in Wirklichkeit unentzifferbare Signale gewesen. Jene Botschaften flogen aus einer unergründlichen Zukunft in die Zeit zurück. Sie wurden von
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