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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft
Autoren: Gregory Benford
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gefunden. Es waren noch keine Instrumente entwickelt, die den Effekt messen konnten. Aber Gordon fühlte, daß er ihn, als er eintrat, subjektiv wahrgenommen hatte. Vielleicht, weil er so nahe an der Stelle war, an der das Paradox auftrat? Oder weil er bereits darauf eingestimmt war? Vielleicht würde er es nie wissen.
    Ein Gesicht nickte. »Was für ein Tag«, sagte Lakin steif und ging weiter. Gordon nickte. Die Bemerkung war mehrdeutig. Lakin war Direktor bei der NSF geworden und betreute die Magnetresonanz-Arbeit. Gordons umstrittener Bereich, die Aufspürung von Tachyonen, war einem anderen zugeteilt. Lakin war am besten für seine Mitautorentätigkeit bei dem Aufsatz über »spontane Resonanz« in PRL bekannt. Der geteilte Ruhm hatte ihn in seine derzeitige Position gehievt.
    Auch der andere Koautor, Cooper, war vorwärtsgekommen. Seine Doktorarbeit ging glatt durch den Prüfungsausschuß, sobald der Effekt der spontanen Resonanz ausgeklammert blieb. Er war offensichtlich erleichtert zur Penn State gegangen. Dort hatte er eine respektable Arbeit im Bereich des Elektronengehirns geleistet und einen Lehrstuhl erhalten. Jetzt erforschte er in sicherer Position die Transportkoeffizienten verschiedener Verbundsmischungen der Klasse III-IV. Gordon traf ihn bei Kongressen, und gelegentlich nahmen sie einen Drink zusammen und unterhielten sich mit vorsichtiger Zurückhaltung.
    Im Vorbeigehen hörte er einigen Klatsch über die Wiederbelebung der Orion-Idee und die neue Arbeit Dysons. Als Gordon sich gerade ein zweites Sandwich holte und mit einem Reporter sprach, trat ein Teilchenphysiker heran. Er wollte über die Pläne für den neuen Beschleuniger sprechen, der die Möglichkeit hatte, eine Tachyonenkaskade zu erzeugen. Die erforderliche Energie war enorm. Gordon hörte höflich zu. Als sich ein verräterisches Lächeln auf seinem Gesicht breitmachen wollte, zwang er seine Lippen in einen Ausdruck professioneller Nachdenklichkeit zurück. Die Leute vom Hochenergiebereich mühten sich jetzt ab, Tachyonen zu produzieren, aber die meisten außenstehenden Beobachter spürten, daß ihre Anstrengungen verfrüht waren. Es mangelte an einer besseren Theorie. Gordon hatte bei mehreren Arbeitstreffen über das Thema den Vorsitz geführt und inzwischen eine dicke Haut gegen neue, sündhaft teure Vorschläge entwickelt. Die Teilchenphysiker waren auf ihren riesigen Beschleuniger eingeschworen. Der Mann, der nur einen Hammer als Werkzeug hat, kommt stets zu dem Schluß, daß jedes Problem einen Nagel braucht.
    Gordon nickte, vermittelte den Eindruck weiser Urteilsfähigkeit, nippte an seinem Champagner und sagte wenig. Obwohl die Existenz von Tachyonen inzwischen eindeutig belegt war, paßten sie nicht ins Standardprogramm der Physik. Sie waren mehr als nur eine neue Art von Teilchen. Sie konnten nicht neben Mesonen, Hyperons und Kaons aufs Regal gestellt werden. Vorher hatten diese Physiker mit dem Instinkt von Buchhaltern die Welt in eine bequeme Zoologie zerlegt. Die anderen, einfacheren Teilchen hatten nur geringfügige Unterschiede. Sie paßten ins Universum wie Murmeln in einen Beutel, füllten ihn, ohne die Stoffstrukur zu verändern. Anders die Tachyonen. Sie machten neue Theorien möglich und wirbelten allein durch ihre Existenz den Sand kosmologischer Fragen auf. An den Folgerungen wurde gearbeitet.
    Darüber hinaus gab es jedoch die Botschaften. Sie hatten 1963 aufgehört, bevor Claudia Zinnes weitere Bestätigungen finden konnte. Einige Physiker hielten sie für real. Andere, stets vorsichtig gegenüber sporadischen Erscheinungen, hatten sie als Zufallsirrtum eingestuft. Die Situation hatte viel mit Joe Webers Entdeckung der Schwerkraftwellen im Jahre 1969 gemein. Spätere Experimente anderer Wissenschaftler hatten keine Wellen gefunden. Hieß das, Weber hatte unrecht, oder daß die Wellen nur gelegentlich auftraten? Es könnten Jahrzehnte vergehen, bis diese Frage geklärt wurde. Gordon hatte mit Weber gesprochen, und der drahtige, silbermähnige Experimentator schien die ganze Sache als eine Art unvermeidlicher Komödie aufzunehmen. In der Naturwissenschaft kann man seine Opponenten normalerweise nicht bekehren, hatte er gesagt; man muß sie überleben. Für Weber gab es Hoffnung. Sein eigener Fall, fühlte Gordon, war für immer unüberprüfbar.
    Die neue Theorie Tanningers wies gewiß den Weg. Tanninger hatte Tachyonen auf höchst originelle Weise in die allgemeine Relativitätstheorie eingeschlossen. Die alte
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