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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft
Autoren: Gregory Benford
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Erinnerung. Hallo. KONTAKTVERSUCH.
    Renfrew lächelte in grimmiger Ironie. Flatternde Flüstertöne hüllten sanfte Worte des Morgen im Indium ein. Jemand war dort. Jemand brachte Hoffnung.
    Der Raum war kalt. Schwitzend schmiegte Renfrew sich an seine Instrumente, beobachtete die Wellenausbrüche. Er war wie ein Südseeinsulaner, der den Flugzeugen zusah, wie sie ihre majestätischen Linien über den Himmel zogen. Und er konnte nicht zu ihnen hinaufschreien. Ich bin hier. Hallo, 2349. Hallo.
    Er versuchte es gerade mit einer Modifizierung des Signalkorrelators, als die Lichter erloschen. Völlige Schwärze umgab ihn. In der Ferne kam der Generator ratternd und blubbernd zum Stillstand.
    Es dauerte lange, sich hinaus ins Licht zu tasten. Ein bleichgrauer Mittag, aber er bemerkte es gar nicht. Es reichte, draußen zu sein.
    Von Cambrigde konnte er keinen Laut hören. Der Wind trug fauligen Geruch mit sich. Keine Vögel. Kein Flugzeug.
    Er ging nach Süden, auf Grantchester zu. Einmal blickte er zum quadratischen Profil des Cav zurück und hob im diffusen Licht eine grüßende Hand. Er dachte an die geschichteten Universen, Zwiebelschale in Zwiebelschale. Sich zurücklehnend, spähte er mit schwindelndem Blick auf die Wolken, die einst ein so gütiger Anblick gewesen waren. Über dieser Hülle war die Galaxis, ein prächtiger Schwarm farbiger Lichter, die sich mit majestätischer Gemächlichkeit in der prächtigen Nacht drehten. Dann blickte er auf den holprigen, ausgetretenen Pfad hinab und spürte, wie ein schweres Gewicht von ihm abfiel. Seit so langer Zeit war er jetzt von der Vergangenheit durchdrungen. Sie hatte ihn für die reale Welt um sich herum absterben lassen. Jetzt wußte er, ohne genau zu wissen woher, daß sie für immer verloren war. Doch statt Verzweiflung zu spüren, war er heiter und frei.
    Marjorie wartete auf ihn, gewiß voller Angst vor dem Alleinsein. Ihm fielen ihre Vorräte auf den unverrückbar geraden Regalen ein, und er lächelte. Sie konnten einige Zeit davon essen. Entspannte Mahlzeiten, wie sie sie damals, bevor die Kinder kamen, gewohnt waren. Natürlich würden sie bald aufs Land fahren und Johnny und Nicky holen müssen.
    Sein Kopf wurde klarer, als er keuchend den Pfad entlangging. Wenn man darüber nachdachte, gab es noch viel zu tun.

 
– 46 –
28. Oktober 1974
     
     
    Zu Fuß verließ er sein Hotel an der Connecticut Avenue. Zur Begrüßung würde es ein Lunchbüffet geben, hatte es im Brief geheißen, deshalb war Gordon bis elf im Bett geblieben. Er hatte schon längst die Erfahrung gemacht, daß es bei Kurzreisen zur Ostküste am besten war, die Zeitzonen einfach zu ignorieren und sich an seinen westlich geprägten Tagesablauf zu halten. Das kam den Bedürfnissen eines auswärtigen Besuchers ohnehin stets entgegen, denn solche Gelegenheiten waren eine Entschuldigung, sich in teuren Restaurants bei saucegetränkten Entrees aufzuhalten, denen schließlich bei einigen Tassen Kaffee ernste Offenbarungen mit der Standard-Jetzt-da-wir- aus-dem-Büro-sind-kann- ich-offen-sprechen- Einleitung folgten und schließlich der unsichere Gang ins Bett zu später Stunde. Wenn er am nächsten Morgen um zehn aufstand, war er selten später als die Manager selbst bei der NSF oder der Atomenergiekommission, da er kein Frühstück nahm.
    Er schlenderte durch den Zoo, der mehr oder weniger am Weg lag. Gelbe Hundeaugen folgten ihm, denen anzusehen war, daß sie die Folgen abwägten, wenn die Gitter plötzlich fallen würden. Schimpansen turnten pendelnd im nicht endenden Kreis ihres beschränkten Universums. Die Welt der Natur war hier eine Nische inmitten entfernter Huplaute und eckiger, schmutzigbrauner Ziegelbauten. Gordon schmeckte die feuchte Fülle der Brise, die vom Potomac heraufzog. Er genoß diese sanfte Berührung mit den Jahreszeiten; Satzzeichen in den ausgedehnten Sätzen der Monate, eine willkommene Erlösung aus Kaliforniens monotoner Prachtwitterung.
    Beim erstenmal war er mit seinen Eltern hierhergekommen. Jener Touristenorbit war jetzt nur noch ein Bündel schwacher Erinnerungen aus einer Ecke seiner Jugendzeit, jener Lebensperiode, die, wie er annahm, für jeden Heranwachsenden die goldenen Jahre bedeuteten. Er erinnerte sich, wie er ehrfürchtig vor dem glattweißen Glanz des Washington Monuments und des Weißen Hauses gestanden hatte. Noch Jahre danach war er sicher, daß diese würdigen Gebäude gemeint waren, wenn seine Klasse in der Grammar School »America« anstimmte
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